Mittwoch, 4. Februar 2009

Social Science Live in Concert (Vol. I)

Nach fünf Jahren an der Uni entwickelt man ein eigenartiges Verhältnis zu den Koryphäen seines Faches. Im ersten Semester habe ich noch die Stirn gerunzelt. Im Hauptstudium habe ich ihre Texte rauf- und runter gelesen. Jetzt, am Ende der akademischen Grundausbildung, geht es darum diese Menschen live vor Publikum zu erleben.

Dabei gibt es verschiedene Typen von Live-Intellektuellen. Viele wiederholen auf der Bühne nur das was in ihren Texten ohnehin schon zu lesen ist. Sie bringen gerne die Themen mit denen sie berühmt geworden sind und man freut sich im Nachhinein einfach mal dabei gewesen zu sein. Ein anderes Kaliber haben dann schon jene die erst vor Publikum richtig aufblühen. Sie wissen meist selbst nicht worüber sie offiziell reden sollen und nehmen statt dessen den Zuschauer mit auf einen Trip durch das was sie sich im Flugzeug nach 3 Gläsern Cognac herbeifabuliert haben.

Über die Gunst des Publikums entscheidet jedoch Style. Für manche vielleicht auch Inhalt, aber den kann man sich besser zuhause nochmal durchlesen. Dabei hat jede(r) Hörsaalfüller(in) seine eigene Art der Performance entwickelt:

Judith Butler
(Style: Progrock)

Butler genießt man am besten bei einem Glas Wein, oder auch zwei, denn verstehen wird man eh nur einen Bruchteil des Gesagten. Um bei der detailierten Auswertung der Show im Nachhinein mitreden zu können sollte man die aktuellen Veröffentlichungen und die dazu verfügbaren Reviews gelesen haben. Ansonsten stimmt alles. Selbst die zehnminütigen epistemologischen Soli im 7/5 Takt intoniert Butler perfekt, allerdings läuft auch alles nach Skript. Wenn man nicht die vielen subtil eingestreuten Zitate bemerkt ist die Performance nur halb so mitreißend.

Richard Sennett (Style: Indie)

Als Brite besteigt Sennett die Bühne direkt vom Arbeitszimmer. Proben ist nicht. An die Hälfte seiner Texte kann er sich zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr erinnern, aber dafür gibt es zwischendurch sympathische Anekdoten aus seinem Leben zu hören. Alles ist LoFi - nüchtern aber gemütlich. Seine Notizen hat Sennett auf der Rückseite des Mensa-Speiseplans geschrieben, auch wenn er sie gar nicht braucht. Der Vortrag wirkt etwas unstrukturiert, driftet für gut eine halbe Stunde vom Thema ab. Dafür sind die Argumente eingängig und man fühlt sich nicht schlecht wenn man den Saal verlässt.

Slavoj Žižek
(Style: Metal)

Žižeks Liveauftritte reißen den Zuhörer in eine anarchischen Strudel bis er oder sie auf dem Grund der abendländischen Kultur aufschlägt. Zu hören gibt es martialisches Gefrickel in schwindelerregendem Tempo. Leider versteht man nur die Hälfte, weil der Sound so schlecht ist. Die Shows sind laut, muffig und rau. Wärend der Fragerunde kann man sich blaue Flecken zuziehen. Sechs Stunden später wacht man unter Schmerzen auf der Treppe nach draußen wieder auf. Die Kleidung riecht nach Bier und Erbrochenem. Der Kopf schmerzt und man kann sich an nichts mehr erinnern.

Mal sehen was Bruno Latour am Donnerstag zu bieten hat.

1 haben auch was zu sagen:

mr.plow hat gesagt…

ah... latour war gesern göttlich. style: post-rock. ich denke bald kommt vol. 2 der geschichte

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