Freitag, 27. Februar 2009

Denk ich an Deutschland in der Nacht...

Ich habe letzte Nacht mal wieder geträumt. Diesmal von "Deutschland". Ganz recht. Nachdem ich mich entschlossen habe im Sommer nach Deutschland zurückzukehren, kommen plötzlich lange verdrängte Erinnerungen hoch. Oder waren es doch Fieberfantasien? Nach dem Erwachen überkam mich jedenfalls ein reichlich mulmiges Gefühl. War das alles wirklich so? Gibt es dieses wundersame Land wirklich oder ist dies ein Ort den ich nur aus Romanen und Filmen kenne? Meine Erinnerungen sind zu trüb. Vielleicht können mir meine Leser helfen, wenn ich meinen Traum berichte:

In meinem Traum erwache ich an einem Morgen wie diesem. Draußen rieseln weiße Flocken vom Himmel. Es ist Montag. Der Tag ist in meinem Kalender rot eingekreist. Es ist der erste Montag im neuen Semester. Mich überkommt Panik. Habe ich die Studiengebühren schon zusammen? Ich haste zur Uni. Im Sekretariat werde ich schief angesehen: Wie, sie haben nur 10.000 und zahlen die zweite Hälfte in einer Woche? Die Sekretärin nimmt mir einen nicht weiter nennenswerten Betrag ab und schickt mich mit einem Augenzwinkern nach draußen. Ich hätte nicht gedacht dass Frau Schubert zu so etwas fähig ist. In diesen harten Zeiten macht die Korruption nicht einmal vor den Besten halt. Höhnisch ruft sie mir noch hinterher ich solle einen Arzt aufsuchen. Ich sähe so blass und verwirrt aus.

Im nächsten Moment sitze ich schon in der Arztpraxis. Der Arzt schnauzt mich an: es fehle an nichts. Wusste ich es doch. Am Empfang frage ich nach der Rechnung. Längeres Schweigen. Wie beim letzten mal? Gut dass ich genügend Bargeld dabei habe. 300 also? Verwirrtes Schweigen auf der anderen Seite des Tresens. Die Schwester reißt mir das Portmonee aus der Hand und zieht nach kurzem Suchen eine Plastikkarte raus. An diese Kreditkarte konnte ich mich allerdings nicht erinnern. Danach folgte noch ein Zehner (schwere Zeiten auch für die Praxisangestellten) und die Helferin ließ mich wortlos abtreten. Beim rausgehen nehme ich mir eine Broschüre mit in der neue esoterische Behandlungsmethoden angepriesen werden: Physiotherapie, Psychotherapie und Zahnprophylaxe. Sicher... und morgen kaufe ich mir meinen Weltraumflug.

Danach wird der Traum zunehmend surrealer. Plötzlich ist Sommer. Ich stehe im Supermarkt an der Kasse, aber Kreditkarten werden nicht angenommen. Panik. Ich kratze mein Bargeld zusammen und schaue auf das Display, aber die Anzeige scheint fehlerhaft. Sie spuckt absurde Zahlen im zweistelligen Bereich aus. Dabei hatte ich gerade für gut eine Woche eingekauft. Der Mann hinter mir in der Schlange scheint nicht weniger erstaunt zu sein. Allerdings auf andere Weise: Wie solle man nur diese Preise nach 10 Jahren ohne Arbeit bezahlen können, wenn einem der Staat neben Miete, Heizkosten, Arztkosten und Fernseher nur das Nötigste zum leben lasse? Mir ist bis jetzt nicht klar wovon dieser Mann eigentlich gefastelt hat. Wahrscheinlich ist "Staat" eine neue Sorte Korn und der Mann war einer der vielen Obdachlosen am Ende seines Verstandes.

Die Kassiererin hatte den Fehler bei der Abrechnung nicht bemerkt. Aber das Absurdeste folgt noch. Ich komme nach Hause und schalte den Fernseher ein. Irgendetwas stimmt nicht. Es läuft ein Nachrichtenmagazin - und das seit einer halben Stunde. Ununterbrochen. Können sich die Firmen jetzt noch nicht einmal mehr Werbung am Vormittag leisten? Ich schalte um. Wo sind hier eigentlich die christlichen Missionierungssender, Verkaufskanäle und die Todeszahlen der letzten Nacht? Ich... wo... Nein! Es ist ein Alptraum! Überall nur Dokumentationen, Opernübertragungen und explosionsarme Tatort-Folgen!

Ich erwache schreiend. Mein Bett ist durchnässt - hoffentlich nur Schweiß. Was war das nur für ein bizarrer Ort? Tatort... das muss dieses Deutschland gewesen sein von dem ich manchmal von alten Bekannten höre. Alles schien so vertraut und doch zu verrückt um wahr zu sein. Kann es einen solchen Ort geben? Wahrscheinlich nur im Traum.

Mittwoch, 25. Februar 2009

Steal This Film 2.5

Zum Anlass des aktuell laufenden Prozesses gegen den Bittorrent Tracker The Pirate Bay haben die Macher von Steal This Film den zweiten Teil ihrer Reihe erweitert und gratis zum legalen Download bereitgestellt.

Alle die diese Dokumentation über die sozialen Folgen neuer Medientechnologien und daran anschließende rechtliche Implikationen noch nicht kennen, kann ich beide Steal This Film Teile wärmstens ans Herz legen. Es kommen vor allem (teils namhafte) Experten zu Wort die die aktuelle Gesetzeslage in Westlichen Staaten im Zeitalter der medialen und kreativen Revolution als veraltet erachten.

Problematisch ist allerdings dass Labels und Künstler nicht wirklich zu Wort kommen. Das gibt dem ganzen so eine nette armchair philosophy Atmosphäre die man sonst nur aus Seminaren kennt.

Der Form halber sei an dieser Stelle den Betroffenen trotzdem das Wort erteilt:




Mittwoch, 18. Februar 2009

Barclaycard: Besonders sicher und trotzdem einfach

Welche Daten benötige ich, um mich in den Online-Kundenservice einzuloggen?
Um sich bei Barclaycard in Ihr Kreditkarten-Konto einzuloggen, brauchen Sie nun folgende Zugangsdaten:

(1) Ihre persönliche ID, die aus bis zu 9 Ziffern besteht. Diese wurde Ihnen beim Abschluss der Online-Registrierung mitgeteilt.

(2) Ihren Nachnamen, wie Sie ihn bei Barclaycard angegeben haben und wie er auf Ihrem Kontoauszug dargestellt wird.

(3) Ihre 6-stellige Online-PIN, die Sie sich selbst gewählt haben.

(4) 2 zufällige Buchstaben Ihres persönlichen Kennwortes.
(5) Die letzten 4 Stellen des Barcodes auf der Rückseite des dritten ihnen nach der Anmeldung zugegangenen Schreibens.

(6) 3 zufällige Wörter aus der Erstausgabe von Larry Burketts "Illuminati" sortiert nach dem Klangbild der Buchstaben im persischen Alphabet.

(7) Die aktuellen Geokoordinaten der ISS dividiert durch die Anzahl der bisher zugestellten Mahnungen im Quadrat abzüglich der Stundenzahl benötigt für bisherighe Einlogversuche.
Auf diese Weise ist das Log-in bei Barclaycard besonders sicher und trotzdem einfach.
Hmm... Ich hätte mir bei der Anmeldung zumindest meine persönliche ID aufschreiben sollen.

Montag, 16. Februar 2009

Sunrise, Sunset

Erstaunlich wie klein die Welt doch werden kann, wenn die Abschlussprüfungen nahen. Ich stehe morgens auf, prokrastiniere eine Weile, widme mich dem Lehrstoff, bemerke irgendwann den Einbruch der Dunkelheit und lege mich dann irgendwann wieder ins Bett. Gut, das ist jetzt eher noch das Ideal. In der Realität kann man die suggerierte effektive Arbeitszeit gerne halbieren. In jedem Fall fange ich an die Welt um mich herum zu vergessen.

Ich gehe zwar täglich unter Menschen, aber die Lichter Manhattans sehe ich
eher selten, und wenn, dann auf den Weg zu meiner Lerngruppe oder Bibliothek. Bestimmt steigen gerade die hippsten Partys der Saison. Alle Bands die ich niemals sehen werde feiern Reunion in der Stadt. Alkohol, Blackjack und Frauen Freunde sind verfügbar. Die große Kulturrevolution kommt endlich zum Sieg. Aber davon werde ich nicht so bald erfahren.

Jetzt kann ich mir vorstellen wie das Leben an Orten wie New Heaven (Yale), Princeton oder in jeder anderen Unistadt sein muss, wo wenige Meter hinter der Campusgrenze Bären auf Elchjagt gehen (oder umgekehrt). Ich vermute der Erfolg dieser Bildungseinrichtungen basiert auf der Tatsache, dass niemand der durch die Zeit feutfröhlicher Collegebesäufnisse durch ist eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung findet. Da stürzt man sich gerne in die Forschung und gewinnt Nobelpreise nur um für die Verleihung mal vom Campus runter zu dürfen.

Meine Welt ist zwar auch auf den Raum zwischen Apartment, faculty building und Bibliothek geschrumpft, aber wenigstens treffe ich dazwischen in der U-Bahn auf den Charme einer multikulturellen, pluralen, polykriminellen Großstadt. In Yale kann man froh sein, wenn der Hausmeister einen kanadischen Akzent hat. Gut zu wissen, dass es immer jemanden gibt den es schlimmer erwischt hat.

Freitag, 13. Februar 2009

Das Internet: millionen Fragen - eine Antwort?

Hast du schon gehört? Das Internet gibt es jetzt auch für Computer!
Was hat es mit diesem Internet nur auf sich? Klar scheint zu sein: Das Internet macht alles anders als es vorher anders war. Weniger klar: Was springt für uns dabei raus? Um dieser Frage nachzugehen müssen wir zuallererst verstehen wie das Internet funktioniert. Ich habe für die täglich hinzuströmenden unbefleckten 300.000 Neunutzer ein kleines Q&A mit allem Wissenswerten über das "World Wide Web" zusammengestellt:

1. Macht mich das Internet dumm?

Neuste Forschung hat ergeben: Ja!
[Anm.d.A.: Ich habe mich entschlossen alles weitere in Kurzfilmform anzufügen]

2. Jeder hat es! Wie kann ich dazugehören?



3. Was ist Web Zweikommanull?



4. Aber was bringt mir das nun?



Wie sich die Zeiten ändern. In den späten 80ern nehmen Kritiker an das Internet sei nur geeignet für Kommunikation unter Wissenschaftlern und Militärs. Es werde sich auf dem Markt nicht durchsetzen können. Die exponentielle Verbreitung von Internetanschlüssen widerlegt sie nur wenige Jahre später. Ihre Nachfolger Mitte der 90er argumentieren das Internet sei nichts weiter als das übliche Hin- und Herschieben von Informationen. DSL und Internetpornographie widerlegen sie nur wenige Jahre später.

Heute wird behauptet das Internet sei eine gigantische Maschine, deren einzige Funktion darin bestehe Pornographie jeder nur erdenklichen Art sekundenschnell üben den gesamten Erdball zu verbreiten. Nun, ähm... ich bin gespannt ob wir bald schlauer sein werden.

Mittwoch, 11. Februar 2009

Ein kleiner Exkurs in die Mediengeschichte


Mir ist soeben folgende Geschichte untergekommen: Bildblog ändert auf Wikipedia den etwas aus dem Ruder laufenden Namen des zukünftigen deutschen Wirtschaftsministers (aktuelle Kurzform: Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg). BILD und andere schreiben ab. Aufkeimende Zweifel an der Änderung werden in der Wikipedia-Gemeinde mit Hinweis auf die Medienberichterstattung weggewischt. Mittlerweile stellt sich der Minister in spe schon selbst mit dem überflüssigen Vornamen vor.

Ein exzellentes Beispiel dafür wie Medien Wirklichkeit produzieren - und das nicht zu ihrem Besten. Ich rieche die Kulturkritik und Medienschelte schon um die Ecke kommen. Aber war "früher" wirlklich alles besser?


Ein kleiner Exkurs in die Mediengeschichte


Am Anfang

Alle News wurden von Gott ausgerufen. Die Öffentliche Meinung wurde zwischen Adam und Eva ausgehandelt. Der Ton, zuvor meistens eher unkritisch, änderte sich erst als Gott Gebühren einführte.

Antike

Nachrichten mussten mit Boten geschickt werden, die sich den Inhalt dann entweder merken oder auf einer schweren Steintafel durch ägyptische Wüsten und über die griechische See schleppen mussten. Die Auflage betrug meistens Eins (für den Sonnenkönig oder aktuell herrschenden Tyrannen). Falls die Nachricht anschließend auf dem Marktplatz verlesen wurde, konnten Kritiker mit der Granittafel mundtot gemacht werden.

Mittelalter

Es gab ausreichend Dokumente und Archive, nur musste der mitteleuropäische Journalist zur Recherche jedes mal ins Kloster. Da diese nicht gerade für bequeme Erreichbarkeit bekannt waren und auf dem Weg allerhand Banditen und Zollbeamte lauerten, blieben die meisten daheim und erfanden ihre Geschichten selbst. Als Folge dominierten Hexen, sprechende Wölfe, essbare Häuschen, Mord und Vergewaltigung die Berichterstattung.

Moderne

Gutenberg erfindet den Buchdruck und Print wird nach nur 200 Jahren zum Massenmedium. Gebildete weiße Männer verhandeln in den Kaffeehäusern und Salons Europas Politik, Vernunft und Wahrheit. Die Auflagen sind gut. Frauen halten den Herd warm. Zeitungen gibt es mehr als man lesen kann, aber im Grunde schreiben alle von Kant, Mill und Voltaire ab. Das führt dazu, dass für die nächsten 200 Jahre alle an Fortschritt, liberale Demokratie, und Freihandel glauben.

Post-/Hyper-/Reflexive-/Spät-/Zweite-Moderne

Die meisten glauben immer noch an Wissenschaft, Fortschritt und Marktwirtschaft - solange es im Fernsehen läuft. Vera am Mittag ersetzt das französische Kaffeehaus. Die Frage nach den Kosten für Silikonimplantate läuft der Suche nach Gott den Rang ab. Zeitungen gibt es nur noch aus Prestigegründen.

Manche Journalisten versuchen vom Fernsehen abzuschreiben. Mit gigantischen Überschriften, seitenfüllenden Fotomontagen und der Agenda von Vera am Mittag können Verlage den drohenden Kollaps aufhalten. Unterdessen geben postmoderne Philosophen den Wahrheits- und Wirklichkeitsbegriff auf. Ihre Lektüre wird in einigen Redaktionen verbindlich.

Heute (?)

Das Internet widerlegt postmoderne Theorien. Wahr ist das was auf Wikipedia steht. Wirklichkeit sind die Teile davon die Journalisten ohne Gewissensbisse zitieren können. Zeitungen kommen jetzt nur noch kostenlos mit der Post und informieren über die Wurstpreise bei LIDL. Fernseher sind flacher und verbreiteter als jemals zuvor. Sie verdrängen damit erfolgreich den Klang des Aquariums als beliebtestes Hintergrundrauschen für Zuhause.

Nachrichten liest man auf Blogs. Die Öffentlichkeit richtet ihre Aufmerksamkeit auf Themen die ihrer Lebenswelt besser entsprechen als die Produkte der konventionellen Medien. Berichtet wird vor allem über Technik-Gadgets, neue Web 2.0 Startups, Blogging, Meta-Blogging, Blog Economy und Filesharing.

Die Zukunft

Experten vermuten, dass Probleme wie globale Erwärmung, Krieg, Hunger und Völkermord durch geringes Öffentlichkeitsinteresse bis 2020 endgültig ausgelöscht sein werden. Zuvor entfernt Wikipedia aus Speicherplatzgründen selbige Themen aus der Datenbank. In einem wikikratischen Volksentscheid wird die Löschung verfügt, um die nötigen Kapazitäten für eine detailiere Aufschlüsselung jeder bisher ausgestrahlten CSI-Episode freizuräumen.

Montag, 9. Februar 2009

No Pants Subway Ride



Ja, ich war da. Aber in Hosen. Ich weiß auch nicht ob damals wirklich No Pants Day war oder Greenwich Village Anwohner nur den um diese Jahreszeit (Winter) üblichen Exhibitionismus zur Schau gestellt hatten.

Insgesamt ist die Sache sehr unterstützenswert. Jung und alt kämpfen gemeinsam gegen die perfide Hosen-Mafia (ein Kartell aus Levis, Wrangler und Lee). Die machen neuerdings nicht einmal Tieren halt. Unsere freie Entfaltung als Menschen steht auf dem Spiel!

Freitag, 6. Februar 2009

MySpace gegen Sexualstraftäter

Endlich können unsere Kinder wieder sicher durch die Weiten des Netzes surfen. Wie AP leise zu berichten weiß, hat MySpace die accounts von 90,000 Sexualstraftätern entfernt:
North Carolina Attorney General Roy Cooper said Tuesday the new figure
is nearly double what MySpace officials originally acknowledged last
year when detailing who had used their site.
Moment mal. 90,000 Sexualstraftäter auf MySpace? Das würde statistisch gesehen bedeuten, dass sich selbst unter meinen friends mit hoher Wahrscheinlichkeit jemand befindet den MySpace für einen "sex offender" hält.

Die Frage ist nur - woher weiß MySpace wer in diese Kategorie gehört? Wachen die Plattformanbieter mit Argusaugen über ihre über 100 Millionen Schäfchen und verteilen rote Kreuzchen für die schwarzen Exemplare? Ich hoffe es bedarf mehr als nur einer verfänglichen MySpace Nachricht um als Sexualstraftäter gelistet zu werden.

Vermutlich gab MySpace Richard Blumenthal, laut Artikel der federführende Attorney General in dieser Kampagne, Zugang zur Nutzerdatenbank, um diese mit den Daten aus dem Sexualstraftäterregister abzugleichen.

Aber sind wir denn nun jetzt wirklich sicher? Ein MySpace Vertreter beruhigt dem Inquirer gegenüer die erhitzten Gemüter:
[We have] deployed social verification and
powerful privacy rules that allow people to interact in a safer and
more trusted environment.
Es heißt also aufatmen! Die mächtigen Standards für Sicherheit und Privatsphäre auf MySpace ermöglichen es Dritten auf die privaten Daten bereits frei gelassener Straftäter zuzugreifen, um diese erneut zu verurteilen und ohne zeitraubende Gegenrede auszuschließen. Alles damit unsere Kinder wieder sicher im Netz spielen können und - laut Kampagne - potentiell gefährliche Sexualverbrecher wieder da hinkommen wo sie hingehören: auf die Straße.

Donnerstag, 5. Februar 2009

Human Amusements at Hourly Rates


Ich weiß was sich einige konsumkritische Zeitgenossen jetzt denken werden. In Wahrheit ist der amerikanische Shopping-Eklektizismus aber ein wahrer Segen. Ich muss nicht mehr zu drei verschiedenen Regalen oder gar in drei verschiedene Läden rennen um mir die besten Halloween-Schocker, die Mozart Sammlerbox und die Greatest Hits der 80s zuzulegen. Ich habe mir natürlich gleich alle drei einpacken lassen.

Mittwoch, 4. Februar 2009

Social Science Live in Concert (Vol. I)

Nach fünf Jahren an der Uni entwickelt man ein eigenartiges Verhältnis zu den Koryphäen seines Faches. Im ersten Semester habe ich noch die Stirn gerunzelt. Im Hauptstudium habe ich ihre Texte rauf- und runter gelesen. Jetzt, am Ende der akademischen Grundausbildung, geht es darum diese Menschen live vor Publikum zu erleben.

Dabei gibt es verschiedene Typen von Live-Intellektuellen. Viele wiederholen auf der Bühne nur das was in ihren Texten ohnehin schon zu lesen ist. Sie bringen gerne die Themen mit denen sie berühmt geworden sind und man freut sich im Nachhinein einfach mal dabei gewesen zu sein. Ein anderes Kaliber haben dann schon jene die erst vor Publikum richtig aufblühen. Sie wissen meist selbst nicht worüber sie offiziell reden sollen und nehmen statt dessen den Zuschauer mit auf einen Trip durch das was sie sich im Flugzeug nach 3 Gläsern Cognac herbeifabuliert haben.

Über die Gunst des Publikums entscheidet jedoch Style. Für manche vielleicht auch Inhalt, aber den kann man sich besser zuhause nochmal durchlesen. Dabei hat jede(r) Hörsaalfüller(in) seine eigene Art der Performance entwickelt:

Judith Butler
(Style: Progrock)

Butler genießt man am besten bei einem Glas Wein, oder auch zwei, denn verstehen wird man eh nur einen Bruchteil des Gesagten. Um bei der detailierten Auswertung der Show im Nachhinein mitreden zu können sollte man die aktuellen Veröffentlichungen und die dazu verfügbaren Reviews gelesen haben. Ansonsten stimmt alles. Selbst die zehnminütigen epistemologischen Soli im 7/5 Takt intoniert Butler perfekt, allerdings läuft auch alles nach Skript. Wenn man nicht die vielen subtil eingestreuten Zitate bemerkt ist die Performance nur halb so mitreißend.

Richard Sennett (Style: Indie)

Als Brite besteigt Sennett die Bühne direkt vom Arbeitszimmer. Proben ist nicht. An die Hälfte seiner Texte kann er sich zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr erinnern, aber dafür gibt es zwischendurch sympathische Anekdoten aus seinem Leben zu hören. Alles ist LoFi - nüchtern aber gemütlich. Seine Notizen hat Sennett auf der Rückseite des Mensa-Speiseplans geschrieben, auch wenn er sie gar nicht braucht. Der Vortrag wirkt etwas unstrukturiert, driftet für gut eine halbe Stunde vom Thema ab. Dafür sind die Argumente eingängig und man fühlt sich nicht schlecht wenn man den Saal verlässt.

Slavoj Žižek
(Style: Metal)

Žižeks Liveauftritte reißen den Zuhörer in eine anarchischen Strudel bis er oder sie auf dem Grund der abendländischen Kultur aufschlägt. Zu hören gibt es martialisches Gefrickel in schwindelerregendem Tempo. Leider versteht man nur die Hälfte, weil der Sound so schlecht ist. Die Shows sind laut, muffig und rau. Wärend der Fragerunde kann man sich blaue Flecken zuziehen. Sechs Stunden später wacht man unter Schmerzen auf der Treppe nach draußen wieder auf. Die Kleidung riecht nach Bier und Erbrochenem. Der Kopf schmerzt und man kann sich an nichts mehr erinnern.

Mal sehen was Bruno Latour am Donnerstag zu bieten hat.

Dienstag, 3. Februar 2009

Finding George


Meine finanziellen Probleme sind gelöst! Dank der detaillierten Beschreibung des gesuchten Vogels wird es sicher ein Leichtes sein ihn zu finden.

Wie lange George bei durchschnittlich minus 12 Grad wohl im Freien überleben kann? Aber irgendwie müssen Papageien den Winter in ihren Heimatregionen schließlich auch überstehen.

Andererseits macht mich der Zustand des Plakats etwas stutzig. 18. August? Wahrscheinlich 1997. Ich hoffe George und seiner Familie geht es gut.

Thank You Space Expert

Die Stipendien-Jagdsaison ist eröffnet. Wie jedes Frühjahr um diese Zeit heißt es Geld auftreiben für ein weiteres Jahr Studieren. Jene die behaupten Geld wachse nicht auf Bäumen haben absolut Recht. Es versteckt sich in Schubladen und Säcken, manchmal auch unter Teppichen. Mittlerweile gibt es so viele Datenbanken und Stiftungen, dass man bei einigen der kurioseren Offerten kurz davor ist sich aus Mitleid zu bewerben.

So vergibt die BÜROPA Stiftung beispielsweise Geld für Promovierende die nicht nur gerne mit Kugelschreiber auf linierten Blöcken schreiben, sondern selbige Objekte auch erforschen. Der großspurig klingende Name der Stiftung (klingt entweder nach einem Freizeitpark oder einer Behörde in einem Loriot Film) scheint angemessen, schließlich ist laut Satzung der Zweck dieser Vereinigung kein geringerer als die
Förderung der Handelsforschung im Bereich der Bürowirtschaft durch die jährliche Verleihung des BÜROPA-Preises und die Vergabe von Promotionsstipendien. Der jährlich mit 5.000 € ausgelobte BÜROPA-Preis wird für herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Handelsforschung, deren Inhalte für die Bürowirtschaftsbranche von Bedeutung sind oder werden können, verliehen.
Schlechter sieht es da schon für die Geistes- und Sozialwissenschaften aus:
Alle verfügbaren Stiftungen | Ort/PLZ: Bundesweit
Aufgabengebiet: Geistes-/Gesellschaftswissenschaften | Förderform: Foerdernd
Es wurde(n) 0 Stiftung(en) gefunden [Drucken]
Das Ergebnis stammt aus einer der größten deutschlandweiten Förderdatenbanken. Vielleicht war meine Eingabe einfach zu speziell.

Allerdings besteht Grund zur Hoffnung, wenn man sich entscheidet ins Ausland zu gehen und auch dort zu bleiben. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft scheut weder Kosten noch Mühen seinen qualifizierten Nachwuchs nach Kanada, Polen, Guatemala oder die USA abzuschieben, solange das durch Steuermittel finanziert werden kann. Einmal angefixt kann sich der Exil-Wissenschaftler mit allerhand post-doc Zuschlägen und Sonderstipendien den ursprünglich geplanten Aufenthalt nahezu unbegrenzt verlängern lassen. Man will seinen Nachwuchs schließlich auf Weltniveau forschen lassen. Bestimmt kommen die Leute dann irgendwann wieder und gewinnen Nobelpreise für Deutschland.

Sonntag, 1. Februar 2009

Warum Blogs?


Die Frage sollte vielmehr lauten: warum Bloggen? Wahrscheinlich ist es tatsächlich die Tätigkeit des Schreibens und Kommentierens die die eigentliche Faszination für mich ausmacht, weniger die Endprodukte die man zu Gesicht bekommt. Vermutlich wird im Netz ohnehin mehr geschrieben als gelesen.

Einer meiner Professoren meinte einst auf die Frage was Wissenschaft eigentlich ausmache, dass es nicht darum gehen könne irgendeine Wahrheit zu finden, die Welt zu verändern, oder sich zu verewigen. Der Forscher treibt mit dem was er tut seine eigenen Dämonen aus.

Die einzigen Dämonen die mir heute vor die Augen gekommen sind waren auf der Rückseite meiner Count Chocula Packung. Trotzdem hat dieser Gedanke sein Schönes - auch im Hinblick auf das Bloggen. Ich habe mir diesmal weniger Regeln auferlegt und weniger Pläne geschmiedet im Hinblick darauf was ich hier präsentieren will und welches Publikum ich erreichen will. Aber gerade das macht es für mich spanend. Ich wollte wieder eine Ausgangsbasis für Ideen und Projetke haben die ich schon seit geraumer Zeit und erst recht seit der Funkstille Ende letzten Jahres realisiern wollte.

Dies ist kein deconstructingalex 2.0. Dieses Blog ist nicht nur tot, sondern hat auch schon angefangen streng zu riechen. Manche Leute würden sagen das liegt an meinem Stil, aber das ist was anderes. Alle früheren Leser die mich treu durch mein erstes Jahr in New York City begleitet haben möchte ich einladen auch die nächste Phase mit mir gemeinam durchzustehen. Seit aber gewarnt, die meiste Beiträge auf deconstructingalex hätten hier nichts verloren und vieles von dem was ich hier anbieten möchte wäre dort vis-á-vis Fehl am Platz gewesen. Aber was das alles bedeutet wird sich noch zeigen. Kirschen pflücken mit Oma kann ich jedenfalls anderswo.

Dazu kommen auch ganz profane technische Erwägungen. Wordpress und das Design Template auf meinem alten Server haben mich genervt und sehr viel Zeit gekostet. Man glaubt gar nicht wie vieles bei einem Blog nicht funktionieren kann. Das Meiste, meistens. Daher genieße ich es jetzt einen Schritt zurückzutreten und mich dem Evil Empire Blogger und seinen technischen Beschränkungen zu fügen. Das bedeutet weniger Freiheit, dafür aber mehr Zeit zum Texte schreiben. Das alte Blog und die Domain werden noch bestehen bis mein Vertrag mit dem Anbieter ausläuft.

Also, alles neu macht der, öhm... Januar. Ich gelobe, dass dies die vorerst letzte reflexive Selbstbeweihräucherung bleibt.

Indiscretion #243

Ich sitze gerade in der Küche, in der einen Hand eine Tasse Kaffe, in der anderen einen Teller mit einem Stück von diesem köstlichen Zupfkuchen frisch gekauft in der polnischen Bäckerei gegenüber. Auf meinem Schoß liegt die Samstagsausgabe der New York Times, natürlich. Ein perfekter Nachmttag, wenn nicht diese lauten Stimmen und Kinderschreie aus der Nachbarswohnung immerzu die Stille des Augenblicks durchbrechen würden.

Ich höre genauer hin. Die Wände in der Küche sind einfach zu dünn. Eine männliche Stimme singt etwas, es handelt sich um ein Geburtstagsständchen. Kinderlachen. Danach unverständliche Worte. Entweder die Wände sind doch zu dick um eine gute Akustik zu gewährleisten oder es handelt sich - sehr wahrscheinlich - um eine Migrantenfamilie. Ich stelle mir eine Ethno-Kindergeburtstagsfeier vor, aber alles was mir einfällt sind Szenen aus alten Italienischen Filmen.

Vielleicht sollte ich mal anklopfen und nach Kuchen fragen, aber davon habe ich bereits genug. Außerdem regt das Gehörte wenigstens die Fantasie an. Ich stelle mir vor wie das Kind sein Nintendo Wii auspackt und dabei fast an seiner eigenen Freude erstickt:


Die Großeltern, von irgendwo weit, weit her eingeflogen, sind gerade sicher auf dem Hudson River gelandet. Opa fragt sich ob man den Bengel nicht zu sehr verwöhnt habe. Die Eltern sind gestresst, aber erfreut, dass niemand von den jüngeren Gästen die Küche angezündet hat. Ich ebenso. Der Patriarch der Familie trohnt am Kopf der Tafel und teilt die Pepperonipizza auf, bis jemand bemerkt, dass versehentlich vegetarisch geliefert wurde. Alle regen sich auf, die Tante reißt versehentlich einen Stapel Teller um, aber alle denken das sei als Zeichen der Empörung gemeint und tun es ihr nach.

Plötzlich klingelt es an der Tür. "NYPD! Wir haben Beschwerde wegen Ruhestörung vorliegen." Nachdem der Gesetzeshüter hereingebeten und mit schmackhafter vegetarischer Pizza versorgt wurde hat Opa eine kardinale Idee. Wieso nicht alle Wii Bowling spielen um die erhitzten Gemüter zu beruhigen? Gerade nochmal gut gegangen.



Als ich wieder zur Besinnung komme ist mein Kaffee bereits kalt. Was für ein erlebnisreicher Nachmittag. Und das ohne vom Stuhl aufzustehen. Allerdings frage ich mich wie es Nintendo geschafft hat selbst in meinen Tagträumen Werbung zu schalten. Wahrscheinlich ein neuer Google Service.