Finally Master ... of Procrastination
Es ist amtlich: ich habe etwas getan das in dieser Gesellschaft als Leistung durchgeht. Ich darf mich nun offiziell "Meister" nennen. Früher haben die Leute ihren "Meister" in Automechanik oder im Brötchenbacken bekommen. Andere Meister hatten lange Bärte und konnten die 12 besten Krieger des Reiches in 30 Sekunden ausschalten ohne sie vorher den Boden berühren zu lassen. Ich bin nun Meister der Soziologie und kann weder Keilriemen wechseln noch "die tanzende Klapperschlange" gegen meine Feinde einsetzen. Was es nun genau ist das ich gelernt habe weiß ich nicht. Es wurde mir nicht beigebracht. Das einzige was mir meine alten Meister auf den Weg gegeben haben waren die Worte "ich hoffe du hast Verwandte in der Wirtschaft".
Bereits nach kurzer Lektüre der aktuellen Stellenanzeigen wird eines klar: junge Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen sind in der Wirtschaft äußerst unbeliebt. Personalleiter zählen sie zu der gleichen Gruppe von Versagern wie den Rest, nur mit höheren Gehaltsforderungen und der Erwartung mit Respekt behandelt zu werden. Manche Bewerbungsratgeber legen nahe, das Studium möglichst unerwähnt zu lassen und stattdessen bisherige Arbeitserfahrungen hervorzuheben. Ich frage mich, welcher Teil davon gemeint sein könnte: das Kaffeekochen am Institut, die Arbeit für das Callcenter dessen Betreiber mittlerweile in 7 europäischen Ländern polizeilich gesucht wird oder das Training im Bildungscamp der Junganarchisten. Vielleicht hätte ich bessere Chancen auf dem Jobmarkt, wenn ich mein Diplom verbrenne und mir von einem Dunkin‘ Donuts Filialleiter ein falsches Arbeitszeugnis für die letzten 5 Jahre ausstellen lasse.
So verlockend dieser Gedanke erscheint, eine Sache würde mir dann abhanden kommen: der Respekt meiner amerikanischen Mitmenschen. Ich war erstaunt und überwältigt zu erfahren welchen Stellenwert Bildungsabschlüsse in diesem Land genießen. Jeder dem gegenüber ich die langweilige Graduierungsfeier erwähne, übergießt mich mit warmen Glückwünschen. Fast bekommt man das Gefühl, die letzten 5 Jahre seines Lebens unter finanziellen und menschlichen Entbehrungen nicht sinnlos vertan zu haben. Ganz anders in Deutschland. Wer beim Prüfungsamt mit zitternder Hand die mühsam gesammelten Scheine der finster starrenden Sachbearbeiterin entgegen streckt, bekommt meist nicht mehr zurück als ein frostiges "Was haben sie so lange gebraucht?" oder "Der Stempel auf diesem Formular ist zu blass, wenden sie sich an ihr Institut".
Beim nächsten Familientreffen sieht es nicht anders aus: Während in den USA die Eltern extra vom Guerilliakampf aus Venezuela einfliegen, nur um in Tränen zu sehen wie ihrem Töchterchen das Diplom überreicht wird, hört der erfolgreiche Absolvent in deutschen Landen eher Ermutigungen wie "Was!? Ich dachte du bist schon seit 2 Jahren fertig!" oder "Prima, dann brauchen wir dir für diesen Monat keinen Unterhalt zahlen!" Allerdings habe ich hier in den USA einen Verdacht. Die Banken welche den hiesigen Studenten Kredite im fünfstelligen Bereich gewähren, haben Eltern und Bekannte auch gleich vertraglich dazu verpflichtet stolz auf ihre Sprösslinge zu sein. Wenigstens eine Sache die in der derzeitigen Wirtschaft reibungslos funktioniert.
6 haben auch 'ne meinung:
Und (trotzdem?!) Glückwunsch! Schon allein der Berg Foucault Lektüre, denn du so zentral ins Bild plaziert hast, ist eine Anerkennung wert! Und nu?!
hmm... nichts mit wirtschaft denke ich. der sommer ist soweit mit allerhand sachen inklusive praktikum verplant. danach werde ich wohl noch den magister fertig machen. man kann von diesem abschlüssen ja gar nicht genug haben.
Lob und Anerkennung! Leider hast du dennoch recht, geisteswissenschaftl. Abschlüsse kommen in Germanien einem Antrag auf Arbeitslosengeld II gleich... :(
High Five! Willkommen im Club der Erleuchteten. Ich hoffe, Du hast schon Deinen Mitgliedspass bekommen und dass Dir der geheime Handschlag gezeigt wurde. Ich freu mich für Dich!
an dieser stelle möchte ich allen danken ohne die ich hier nicht stehen würde, vor allem meinen eltern, jesus und der schweinefleischindustrie. mein herzlichster dank geht auch an alle anderen die mich über diese 2 jahre nicht vergesssen und sogar ermutigt haben ein studium abzuschließen für das man in anderen gesellschaften längst verhaftet worden wäre. *schluchz* wir sehen uns auf der aftershowparty!
wie du kannst einen master machen ohne einen masterqualifizierenden studienabschluss? was es nicht so alles gibt...
dennoch: herzlichen glückwunsch. freue mich auf dich in berlin!
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