Montag, 4. Mai 2009

Ich bin's Nu(h)r? In den Staaten ist mehr drin

Langsam kommt bei mir der Gedanke an bald wieder in Deutschland zu leben. Im Schlepptau befinden sich Angst und Unsicherheit. Sozialistisches Utopia hin oder her – werde ich ohne die lieb gewonnen kulturellen Institutionen der Staaten wirklich frohen Mutes meinem Tagewerk nachgehen können? Was wird aus ethnischer Vielfalt, Optimismus und Deep-fried Twinkies? Noch gravierender: was wird aus meinem Wohlbefinden ohne regelmäßige Dosis sozialkritischer Comedy?

Man kann über das US-Fernsehen sagen was man will, aber wenn ich (Achtung, Rhetorik!) abends den Fernseher einschalte, kann ich mir sicher sein auf einem der 475 Kabelsender die an unserer WG anliegen ein Gesicht zu finden das mir erklärt wie die Welt in Zeiten von Finanzkollaps, Folter und Killerviren wirklich ist: witzig. Stephen Colbert, John Stewart, Bill Maher, Conan O’Brien und (unfreiwillig) Bill O’Reilly ersetzen gerne mal die Abendnachrichten, weil sie es verstehen absurd aber clever das Zeitgeschehen einzufangen. Wen haben wir auf der anderen Seite des Atlantiks? Das witzigste Gesicht im deutschen Fernsehen ist das von Horst Köhler, der seinen Beruf leider knapp verfehlt hat.

Bevor ich Deutschland für die letzten zwei Jahre den Rücken kehrte, tendierte mein Interesse für TV-Comedy gegen Null. Meiner damaligen Erfahrung nach gab es durchaus Dinge die überzeugend und nachhaltig komisch waren: sächselnde End-30er auf viel zu großen Bühnen in nicht altersgerechtem Schuhwerk gehörten nicht dazu. Stand-Up Shows und Late Night Television haben mir gezeigt, dass Menschen die witzig sein wollen es auch können—nur nicht in Deutschland. Diese Kritik auch an anderer Stelle zum Mantra geworden. Aber so leicht wollte ich nicht aufgeben. Ich habe in den letzten Tagen mittels der Nominierungslisten des Deutschen Comedy Preises—vermutlich das who-is-who der mittlerweile früh-40er im Komödienstadl—mein Gedächtnis wieder etwas aufgefrischt.

Ein Fehler, wie sich herausstellte. Seit dem sein Hauptbrennstoff—Geschlechterwitze—verbraucht ist, schrumpft Mario Barth, einst der helle Riese am Deutschen Comedy-Himmel, zu einem weißen Zwerg zusammen. Rüdiger Hoffman versenkt ab und zu einen Lacher, nur leider mit einer Dichte von Eins pro Stunde. Olaf Schubert beweist, dass am liebsten immer noch aus obszönem Mitleid gelacht wird. Michael Mittermeier würde mit seiner dümmlich-drolligen Art nerven, selbst wenn man ihn nur beim Bäcker träfe. Michael Bully Herbig versteht es sich zu inszenieren, kann aber nur schwer seine mangelnde Beobachtungsgabe wettmachen. Bei Hella von Sinnen, Anke Engelke und Atze Schröder sind die Namen der witzigste Teil der Show. Dieter Nuhr, der hartnäckige Hoffnungsträger des Landes, macht aus seinem Abitur zwar kein Geheimnis, hinterlässt mit seiner austauschbaren Bühnenpersona und dem Charme eines ernüchterten Gymnasiallehrers leider trotzdem keinen bleibenden Eindruck.

Das Kriterium „sozialkritisch“ habe bei dieser Aufzählung gar nicht erst angewendet, denn sonst hätte ich mir die Gegenüberstellung gleich ganz sparen können. Was soll man da noch sagen? Richtig. All jenen die mir bis hierhin gefolgt sind, kann ich nur raten bei Bedarf ihr Sprachkulturlexikon rauszukramen und sich mit mir an Klassikern wie Chris Rock, Woody Allen, George Carlin, Jerry Seinfeld, David Letterman, Richard Pryor sowie den oben genannten Frontläufern zu erfreuen. Reicht ja auch.

7 haben auch 'ne meinung:

izzy hat gesagt…

wer ist olaf schubert?

mr.plow hat gesagt…

wow, das war die schnellst antwort der welt. http://www.youtube.com/watch?v=-GPLSzLDq3A

Julia hat gesagt…

der beitrag kommt zur rechten zeit - habe heute den trailer zu mario barths film gesehen und nicht gewusst ob ich mich aergern oder fremdschaemen soll..

finde aber schade dass du dittsche uebergangen hast - der kommentiert das weltgeschehen fast so gut wie stephen colbert - nur, aeh, anders. und mit mehr bier.

mr.plow hat gesagt…

dittsche ist ein gutes beispiel für die nischen die trotz allem noch bleiben. übrigens, muss ich mich noch für den anstoß zu diesem post bei dir bedanken, julia. unser chat über barth und brandenburg hat die beschriebenen erinnerungen wieder zu tage gefördert ;)

der frauenversteher macht einen film? f-i-l-m? lass mich raten. hauptrolle: seine freundin?

Ciffi hat gesagt…

Um in Deutscland politisch anspruchsvolle Comedy zu finden, darf mann nicht bei der flachwichsenden Proletenriege der Privatsender suchen. Da muss man entweder etwas tiefer graben (evtl. Serdar Somuncu) oder aber seinen Blickpunkt mehr in Richtung Kabarett verschieben. Spontan fällt mir da Volker Pispers (mein Favorit) ein. Manche schwören auch auf den Österreicher Josef Hader (wobei der mir zusehr Richtung Kleinkunst tendiert), Mathias Richling, Urban Priol oder Georg Schramm seien auch noch genannt. Aber im Vergleich zu den USA bedienen diese Leute hier eine viel zu kleine Niesche, als dass sie eine eigene allabendliche Late-Night-Show bekommen würden.
Aber vielleicht besteht wieder Hoffnung für den Altmeister Harald Schmiidt, dass er jetzt wieder mehr in den Vordergrund tritt, nachdem er sich nun endlich von diesem Geschwür Oliver Pocher als Sidekick trennt. Oder aber Kurt Krömer (wobei nicht sicher bin ob dessen Show noch läuft).
Aber falls es Dich beruhigt: Die Daily Show mit Stewart läuft auch hier auf Comedy Central (ohne synchro). Wie ich Deiner obigen Liste entnehme, muss ich mit Bedauern feststellen, dass Du dich trotz meines wiederholten Anratens noch nicht für Craig Ferguson auf CBS begeistern konntest. Ist der Dir zu sehr West-Coast oder läuft seine Show zu spät für Dich?

weltgeist hat gesagt…

über pocher ist schmidt zu sich selber gekommen. da wird halt proletarisiert was vorher auch schon da war- anders gesprochen: schmidt wird nie wieder so gut wie er im nachhinein nie gewesen ist.

mr.plow hat gesagt…

da bin ich doch froh die ganze schmidt-pocher episode aus kulturgeographischen gründen verpasst zu haben. um comedian zu werden, muss man eine art bühnenpersönlichkeit entwickeln die über das alte klassendepp-muster hinausgeht. ich wünsche pocher viel glück dabei.

craig ferguson ist indeed sehr sehenswert, da stimme ich dir zu ciffi. allerdings fehlt mir in seiner show ein wenig die "political edge". außerdem ist er schotte. ;)

danke auch für die hinweise zu guten deutschen kabarettisten. bedauerlich nur, dass diese gattung meistens nur bei rentnerlastigen schunkelveranstaltung der linken mittelschicht anzutreffen ist. no offense, urban priol und volker pispers ("der deutsche hält parteien die das versuchen umzusetzen was er gut findet für linke spinner") sind balsam für die seele, aber irgendwie kommt mir bei kabarett auch immer ein hauch von lehrerzimmermief entgegen.

man müsste den 68er-opa style mit amerikanischer stand-up kombinieren. eine wahrlich unheilige allianz! ich glaube der erste dem das gelingt wird bundeskanzler.

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