Montag, 14. September 2009

One Step More and You Die

Das Verhalten der New Yorker Fußgänger zeugt von Größenwahn und Verachtung der eigenen Gesundheit. Wie selbstverständlich riskieren sie jeden Morgen beim Überqueren achtspuriger City-Highways bei Rot ihr Leben und den Kasko-Bonus unzähliger Pendler. Niemand nimmt es ihnen übel. Im Gegenteil: Autofahrer die einem Rotläufer den Weg kreuzen haben vor Gericht nicht selten das Nachsehen. Die Metropole am Hudson ist die einzige Stadt der Welt, in der verarmte Migranten hinter dem (Taxi-)Steuer sitzen und Banker ihnen vor die Kühlerhaube laufen. Dieser anarchischen Macht der Fußgänger wurde nun endlich seitens der Stadtverwaltung mit leicht modifizierten Ampelsymbolen Rechnung getragen.

Deutsche Touristen tun sich allerdings noch schwer mit den neuen Lichtzeichen. In Deutschland würden laut aktueller Umfrage zwar 29 Prozent der Menschen einem blinden Obdachlosen seinen Geldbecher entreißen, solange es kein anderer sieht, jedoch stehen die selben Gestalten in einer brandenburgischen Kleinstadt nachts für 20 Minuten an einer kaputten Fußgängerampel. Am Ende entschließen sie sich meist die "schwierige Kreuzung" besser über die Altstadt zu umlaufen. Denn: mit der Autorität der Autofahrer und den Ampeln, ihren getreuen Vasallen, spaßt der Deutsche nicht. Begrüßenswert wäre ein ähnlicher Vorstoß wie in New York, nur mit Ampelsymbolen die der nationalen Verkehrskultur angemessen sind. Bisher diskutierte Vorschläge für "Rot" sind: eine Pickelhaube, die nahende Faust eines Polizeibeamten (hohe Auflösung erforderlich) oder eine schlichte Leuchtschrift mit bewährtem Text.

Dienstag, 25. August 2009

Der Appell zu appellieren

Der umsichtigste Kommentar im Wahlkampf diese Woche kommt nicht von Horst Schlämmer, sondern Frau Angela Merkel. Es geht um Fairness in der Arbeitswelt:

"Ich rate jeder Frau, die für die gleiche Arbeit weniger als ihr Kollege verdient, selbstbewusst zum Chef zu gehen und zu sagen: Da muss sich was ändern!"
(mehr im Tagesspiegel)

Schachmatt, Herr Steinmeier! Nach 30 Jahren bemüht-emanzipativer Familienpolitik, nach Frauenquote und Mutterschutz, nach Anti-Diskriminierungsgesetzen und einer endlosen Parade teuer im Sand versenkter Regulierungsmaßnahmen, fährt die Bundesregierung neuerdings ihr schwerstes Geschütz auf: den freundlichen Appell. Wieso sind wir nicht schon früher darauf gekommen?

Der freundliche Appell blickt in der Politik auf eine ruhmreiche Tradition zurück. Schon Ronald Reagan stellte sich Ende der 1980er vor die Berliner Mauer und bat mit freundlicher, aber bestimmter Stimme das sowjetischen Evil Empire die Mauer doch bitte (zeitnah) niederzureißen. So geschah es. Gerhard Schröder, besser bekannt als der Kanzler der Herzen, rüttelte 1998 mit den Worten "lasst mich hier rein" flehend am Tor des Kanzleramtes. Helmut Kohl erbarmte sich.

Doch in unserer überkomplexen, global vernetzen Welt genügen engagierte Appelle der Großen und Mächtigen nicht mehr. Jetzt liegt die Verantwortung bei uns. Die Appelle müssen aus der Zivilgesellschaft, der menschlichen Lebenswelt kommen. Unsere Kanzlerin tut Recht damit, von den Frauen unserer stolzen Nation das zu fordern, was sie selbst bereit ist tapfer zu leben: die Kultur des umsichtigen (aber selbstbewussten) Nachfragens. Gleiches Recht und gleiche Pflicht für alle. Schließlich kann der Staat unmöglich in die Chefetagen deutscher Unternehmen marschieren und selbst lächelnd den Zeigefinger schwingen.

Deutschlands Frauen wissen nun, die Kanzlerin ist eine von ihnen. Aber was ist mit dem Rest der Bundesrepublik? Die neue Politik macht Schule: Hochqualifiziert und trotzdem arbeitslos? Einfach in die nächste Aufsichtsratsitzung der Deutschen Bank marschieren und mit der Faust (sanft) auf den Tischen hauen. Von Neonazis die Zähne aus dem Gesicht geprügelt bekommen? Da muss man als Bundesbürger mit Migrationshintergrund selbstbewusst hingehen und sagen "also Jungs, das geht doch nicht". Das ist Politik "von Unten" für das 21. Jahrhundert. Die Bundesregierung macht sich selbst überflüssig. Frau Merkel, wären sie bitte so freundlich das Licht auszumachen?

Mittwoch, 19. August 2009

A Soldier of Love


New York - Er war einer der größten Kinderstars in der Geschichte des Fernsehens - jetzt ist Barney der Dinosaurier im Alter von 833 Jahren am Montagmorgen (Ortszeit) in New York völlig überraschend tot aufgefunden worden. Ein Gerichtsmediziner bestätigte gegenüber dem US-Fernsehsender CNN den Tod des Plüschdinosauriers. Dies ist ein Nachruf.

Barney der Dinosaurier starb arm und verlassen. Seine Fans—mittlerweile meist selbst Mütter und Väter—werden ihn als glamourösen Exzentriker, als tragische Ikone ihrer Generation im Gedächtnis behalten. War sein Kampf für eine moderne mediale Erziehung umsonst? Mit seiner bahnbrechenden Nachmittagsshow Barney & Friends revolutionierte der lila Plüschgigant Anfang der 90er Jahre das Unterhaltungsfernsehen für Kinder. Seine pädagogische Methode, Vorschülern triviales Wissen durch Musik, Spiel und Tanz zu vermitteln, erschütterte die Fundamente traditioneller Schulsysteme weltweit.

Trotz des spektakulären Erfolgs der Serie, geriet ihr antiautoritärer Protagonist schnell in die Schusslinie kritischer Pädagogen und konservativer Politiker. Die Abwesenheit klassischer Lehrmethoden, wie der öffentlichen Drangsalierung als Bestrafung für Unwissen oder der unsystematischen Rohrstockschelte, sorgten bereits nach wenigen Folgen für überschäumende Debatten über den Niedergang der abendländischen Kultur. Wiederholten Todesdrohungen und Puppenverbrennungen zum Trotz, setze der bekennende Homosexuelle in der zweiten Staffel mit der Einführung neuer, noch weniger bedrohlich wirkender Plüschcharaktere seinen idealistischen Kreuzzug fort.

Seine Kuschelstrategie ging auf. In der heilen Bildschirmwelt des Tyrannosaurus Rex, tanzten er und andere blutrünstige Landwirbeltiere Hand-in-Hand mit Fünfjährigen, anstatt sich an ihren zuckend-enthaupteten Kinderkörpern vor laufender Kamera zu laben, wie es bis dato im Fernsehen üblich war. Der Schock bei Eltern und Lehrern saß tief. Viele fürchteten den Tod des voyeuristischen Gewaltfernsehens und die ungewollte Rückkehr der elterlichen Erziehungsverantwortung. Auf seiner missionarischen Barney‘s Imagination Island-Tour stand der vom Time Magazine 1996 als "flauschiger Messias" bezeichnete Saurier auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Niemand hätte ihn zu diesem Zeitpunkt stoppen können. Niemand, außer ihm selbst.

Im Mai 1997 verkündigte Barney auf einer Pressekonferenz Barney & Friends—trotz Rekordeinschaltquoten—zugunsten anderer, "künstlerisch anspruchsvollerer" Projekte einzustellen. Inspiriert von seinen ehemaligen Programmkollegen Bert and Ernie, suchte das Kinderidol Anschluss in der zunehmend populären "Gangsta-Rap"-Szene.



Doch auch teure Features mit Snoop Doggy Dogg und dem Wu-Tang Clan konnten dem nun unter dem Pseudonym "Notorious B." bekannten Barney kein neues Zielpublikum eröffnen.



Schnell fehlte es Barney an den Mitteln, um seinen aufwändigen Lebensstil zu finanzieren. Zwischen seinen Auftritten, zog sich der sanfte Riese meist in seine monumentale Behausung zurück, eine künstlich geschaffene Biospähre im Herzen Floridas. Für das 17 Hektar umfassende prähistorische Reservat allein mussten über 200 Angestellte (15 von ihnen hochdekorierte Genforscher) in Lohn und Brot gehalten werden. Um schnell zu Geld zu kommen, ließ sich der zunehmend wunderlich erscheinende Koloss 2008 von den ehemaligen Produzenten seiner Show überreden, eine weitere Staffel zu drehen. Doch schnell wurde den anfangs begeisterten Zuschauern klar, wie schlecht es um ihren Helden in Wirklichkeit stand.

Von der Boulevardpresse nach Affären mit anderen prominenten Cartooncharakteren und hartnäckigen Kinderfressgerüchten geprügelt, tritt Barney—hier zu sehen in einer seiner letzten Folgen—nur noch mit Sonnenbrille und Kopfbedeckung vor die Kamera, um die offensichtlich gewordenen Zeichen des Verfalls zu verbergen. Ausgebrannt und abgemagert, wirken seine Bewegungen nervös, fast unbeholfen. Das einstig schillernde Idol einer ganzen Generation übersteht die Dreharbeiten nur mit Mühe. Mehrfach müssen Ärzte ihm hohe Dosen Schmerzmittel verabreichen. Auch seine heimliche Sucht nach Kinderfleisch war zu dem Zeitpunkt bereits kein Geheimnis mehr. Am Set folgten zwei Parkranger jedem von Barneys Schritten mit geladenen Betäubungsgewehren, um Übergriffe auf seine jungen Spielkammeraden zu verhindern.

Gestern wurde Barney im New Yorker West Village vor einer Grundschule tot aufgefunden. In New York State sind derzeit Sommerferien. Seine Familie wurde umgehend informiert, verweigert bislang jedoch jeden Kommentar. Über die genauen Umstände seines Ablebens kann zu diesem Zeitpunkt nur spekuliert werden. Ärzte halten Herzversagen für die wahrscheinlichste Todesursache. Zeit seines Lebens versuchte das warme Herz des großen Kaltblüters der Welt nur eines zu geben: Liebe. Doch selbst das laut Autopsiebericht 9 Kilogramm schwere Pumporgan in Barneys monströsem Leib, konnte gegen den noch älteren Hass und die noch gewaltigeren Vorurteile unserer Welt nicht ankommen. Aber wir, deine Fans, werden dich immer lieben Barney!

Samstag, 15. August 2009

Authentischer Natururlaub in Brandenburg


Einige würden sagen, die Tourismusbranche in Brandenburg sei verzweifelt. Aber die haben keine Ahnung was den urban-isolierten Großstadtpopulationen Deutschlands einen Besuch wert ist. Nach "Zelten im Wald" und "Urlaub auf dem Bauernhof", gibt es nun eine Reihe neuer authentischer und ökologisch nachhaltiger Erlebnisangebote. So bekommen die eigenen Kinder zwischen Metal Gear Solid 4 und Flatrate-Puffs zu sehen, welche Schätze Mutter Natur noch auf Lager hat. Davon gibt es in Brandenburg vielleicht weniger als anderswo, aber zumindest die Ausschilderung bleibt unübertroffen.

Donnerstag, 13. August 2009

Wenn Männer weinen


Es ist der älteste Trick der Welt: Männer reagieren kurzschlussartig auf sexuelle Reize--seit knapp 150 Jahren auch in Schriftform. Ähnlich wie bei hungrigen Bären auf Würstchensuche, spielt der Kontext keine Rolle. Das wird von organisierten Autoantennenräubern schamlos ausgenutzt. Kaum befindet sich das Fahrzeug mit dem gierig umherblickenden Fahrer auf dem Hinterhof des verfallenen Mordhauses am Stadtrand, machen die Handlanger der slowenischen Antennenmafia kurzen Prozess mit dem silber-glänzenden Wedel. Vor den Augen und bei vollem Bewusstsein ihres Besitzers, wird die lange Aluminiumstange mit wahlweise einer Kneifzange oder Säge in Sekundenschnelle abgetrennt. Die verzweifelten Schmerzensschreie des Fahrers bleiben ungehört.

Schätzungsweise 30.000 Männer fallen jährlich dem organisierten Antennenraub zum Opfer. Die meisten sind für den Rest ihres Lebens traumatisiert. Das tägliche Leben wird zur Qual. Viele Fahrer berichten nächtelang in ihrem Auto wach gesessen und in Tränen am Rädchen ihres Radioempfängers gedreht zu haben. Andere haben aus Scham ihr Fahrzeug verkauft und in Südostasien versucht ein neues Leben anzufangen. Doch den Schatten ihrer Vergangenheit konnten die wenigsten entkommen. Erst in den letzten Jahren wurde das unsägliche Leid der Geschädigten als Post-Antennales Stress Syndrom (P.A.S.S.) der Öffentlichkeit bekannt. Doch trotz moderner Therapieformen bleiben die Narben der Demütigung tief in den Seelen der Opfer zurück.

Das Bundeskriminalamt hat wiederholt versucht in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden in Slowenien den Drahtziehern der internationalen Antennenmafia auf die Spur kommen. Wo die über einhundertausend als gestohlen gemeldeten Antennen abgesetzt wurden, bleibt der Polizei aber bis heute ein Rätsel. Die Ermittler vermuten die Antennen seien eingeschmolzen und an die chinesische Stahlmafia weiterverkauft worden. Andere behaupten die Stangen seien im Besitz wohlhabender Südländer gelandet. Die Wahrheit werden wir womöglich nie erfahren.

Sonntag, 2. August 2009

2 p.m. wake up call


Eigentlich wollte ich mir eine kleine Sommerpause gönnen, aber die Welt dreht sich einfach zu schnell weiter. Da kommt selbst BILD mit den brisanten Eilmeldungen nicht hinterher. Wie soll ich dann erst all die sensationellen Trivialfunde nachliefern, die sich mir in den vergangenen Monaten des täglichen Kulturkampfes aufgetan haben? Die Antwort lautet: gar nicht. Oder irgendwann, vielleicht, aber nicht zu ihrer Zeit.

Linearität ist was für Till Schweiger Fans. Seit neustem wissen wir, man kann mit dem Fallschirm noch ein Jahr nachdem das Flugzeug abgestürzt und abgebrannt ist aus dem Cockpit abspringen. Zumindest geht das in der Finanzwelt. Ergo: von AIG lernen, heißt siegen lernen. Daher werde ich demnächst mal in New York, mal in Berlin, mal in Dresden, mal in St. Petersburg und mal vor einem Untersuchungsausschuss zu finden sein. Manches davon wird schon vorbei oder noch nicht passiert sein. Oder niemals passieren. So it goes.

Samstag, 11. Juli 2009

Die Domestizierung des Mannes


Welche Frau wünscht sich das nicht -- den Tiger für's eigene Schlafzimmer (schwarze Lederschuhe und dicker Mann nicht im Paket enthalten). Sehr gut geeignet für alle Ehemänner die nicht nur im übertragenden Sinn als Bettvorleger enden wollen.

Aber was es mit dem Elefanten auf sich hat, muss mir nochmal jemand erklären...

Donnerstag, 9. Juli 2009

Egalitarianism Polka


Manchmal frage ich mich ob diese Sicherheitsabfragen wirklich zufällig generiert werden oder ob nicht doch ein Praktikant in einem feuchten, miefigen Verließ im Silicon Valley sitzt und die Codeabfragen manuell eingibt. Das würde die versteckten Botschaften erklären. Ein Hilfeschrei... oder einfach der Versuch der Welt trotzig zu zeigen wie kreativ man selbst im miesesten Job sein kann?

Dienstag, 7. Juli 2009

Wacky Fun for the Whole Family


Betriebsfeier bei der Bank of America. Zumindest für die niederen Angestellten sind die wöchentlichen Hubschrauberflüge ins Casino nach Atlantic City gestorben. Stattdessen gibt es die Geisterfahrt durch Lower Manhattan. Der wilde Ritt durch das Financial „Diabolic“ District führt vorbei an Attraktionen wie dem Haunted House (NY Stock Exchange), Freddy Maze and Fannie Mischief sowie den Schrecken von A.I.-Gore. Kurz vor Ende wird der Wagen von einem schäumenden Grizzly mit blutroten Augen und verrottetem Fell gerammt. Super Show, auch für die Kinder. Wenn die Kleinen später fragen sollten, wo ihre teuren Spielsachen hin sind, können die Eltern immer antworten der Zombiebär habe sie gefressen.

Sonntag, 5. Juli 2009

Down With the Sickness

Das Virus ist der beste Freund des Kindes. Erinnert sich noch jemand daran wie es war als Kind krank zu werden? Wenn man mit 10 Jahren fiebrig hustend aufwacht, ist das wie Weihnachten und Nintendo Wii-Verkaufseröffnung an einem Tag. Als erkälteter Halbwüchsiger durfte ich Tage, wenn nicht Wochen zuhause im Bett bleiben. Ich musste nicht zur Schule und konnte stattdessen das sagenumwobene Vormittagsprogramm von RTL und ProSieben genießen (aus heutiger Sicht eher ein Grund freiwillig Hausaufgaben nachzuarbeiten). Wenn mir meine Kinderärztin nach 2 Wochen vermitteln wollte, ich sei kerngesund und müsse ab morgen wieder zur Schule gehen, brach für mich eine Welt zusammen. Mein gespielter Schleimhusten blieb meist vergebens.

Für den Mann von heute gibt es nichts Ungelegeneres als eine Grippe. Egal was er mit seinem Leben vorhat, es scheint unmöglich zu warten bis sich der Körper von der potentiell lebensgefährlichen Infektion erholt hat. Besser das schrittweise Versagen der eigenen Organe einfach ignorieren bis „die Sache ausgeschwitzt ist“, als sich oder anderen Schwäche einzugestehen. Ärzte—ohnehin eine chronisch hysterische Berufsgruppe—müssen um jeden Preis gemieden werden. Der souverän-männliche Umgang mit jeder Art von Erkrankung unterscheidet sich kaum von einer gut gespielten Runde Poker: keine Miene verziehen und mitgehen.

Die ganze Nacht erbrochen und kaum in der Lage die Beine zu heben? Hoffentlich merken die Arbeitskollegen nichts. Schwere Entzündung der Bronchien? Kein Grund die eigene Mannschaft im Achtelfinale der Dorfliga im Stich zu lassen. Diese Logik weitet sich auch zunehmend auf die ehemals besonnenere Hälfte der Bevölkerung aus. Einst die pflegende Hand in meinem Leben, kann selbst meine Mutter nicht mehr warten bis ihre Gelenkentzündung abgeheilt ist, bevor sie den 12-Liter-Kasten stilles Wasser in den vierten Stock hochzerrt. Bekanntlich liegt der Calciumanteil im Leitungswasser 20% über der vom Mineralwasserverband empfohlenen Dosis.

Selbst Menschen die im Grunde nichts mit ihrem Tag anzufangen wissen, lassen sich von einer lächerlichen Grippe nicht einschüchtern. Der arbeitslose Pilsliebhaber vor dem LIDL-Markt nimmt seine alkoholistische Verpflichtung nicht weniger ernst als der Notaufnahmeleiter von dem er am Abend zuvor noch reanimiert wurde. Besonders hart trifft es den Kranken am Wochenende, wenn er sich vorgenommen hat „endlich mal wieder Spaß mit den Kumpels zu haben“. Sind jemandem am Samstagabend schon mal die leichenblassen Gesichter mancher Gäste in einem Striplokal aufgefallen? Nun, das sind Männer die sich die ganze Zeit denken „ich habe kein Gefühl mehr in meinen Gliedmaßen, aber meinen freien Tag lasse ich mir davon nicht vermiesen!“

Sonntag, 28. Juni 2009

Deep-fried Utopia

Ich habe vom Dessert der Götter gekostet. Amerikanisches Süßwerk trifft in einem kosmischen Spektakel auf britische Frittiertechnologie. Wie sonst könnte hochverdichtetes Nugat, zarte Vollmilchschokolade und dickflüssiges Karamell in Riegelform gepresst und in einen knusperfett-angereicherten Atomschlag gegen die Ernährungspyramide verwandelt werden?

Die heilige Dreifaltigkeit:

1. deep-fried Twinkie. Der verlängerte Finger Gottes. Der feine Twinkieteig ertränkt sich in Öl, nur um in Puderzucker und Preiselbeersoße seine Wiederauferstehung zu feiern.

2. deep-fried Snickers. Die Ode an die Freude unter den Desserts. Eine Hymne an die vollkommenste aller Nüsse (die Erdnuss), komponiert aus geschmolzenem Nugat und schokoladigen Wonnen.

3. deep-fried Bounty. Ein Urlaubsersatzriegel in sündhaft-knusprigem Friettiermantel. 5 Sterne Gaumenservice, einschließlich Schoko-Kokos Orige. Alles one-way.

Wenn Deep-frying offiziell den Status einer Religion zugesprochen bekommt, gehe ich unter die Fundamentalisten. Auf der Tischdecke sieht man übrigens Fotos aus Lady Dianas Leben. Rechts mit Pavarotti, darunter auf ihrer Beerdigung. Ob die beiden hier gespeist haben?

Dienstag, 23. Juni 2009

Die Farbe Rosa (introducing: g-trouble)

Was stimmt mit diesem Bild nicht? Kleiner Tipp: es ist nicht der Kalauer im Namen des Produkts. Der ist großartig. Mich plagt die Frage wozu Frauen eine eigene Ohrstöpselmarke brauchen. Worin könnte der Unterschied zu ihrem männlichen Pendant liegen?

Laut Verpackung handelt es sich bei Sleep Pretty in Pink um eine besonders weiche und geschmeidige Ausführung. Wie allgemein bekannt ist, tendieren Männer dazu sich besonders harte und kantige Objekte in ihre Körperöffnungen einzuführen. Da Steine vielen Kunden zu zerbrechlich waren, hat Hearos die "Extreme Protection Series" eingeführt. Die Blauen Pfropfen schützen das Trommelfell, können aber auch im Ernstfall spielend als 11 mm Projektile in der hauseignenen Desert Eagle .50 AE zum Einsatz kommen. So ist Man(n) für jede Lebenssituation gut gerüstet.

Eine Frau hat dagegen andere Bedürfnisse. Neben dem eleganten Design in Rosa, welches selbst ein karges Mauerblümchen bei jeder Pyjama-Party garantiert in eine Beauty Queen verwandelt, bieten Sleep Pretty in Pink natürlich auch technische Vorteile. Die Stöpsel wurden aus einem speziellen Mikrofaserschaum gefertigt, der einzig zu dem Zweck entwickelt wurde penetrante Schnarchsignale des Partners zu blockieren. Röhrende, schnorchelnde und sägende Laute werden sanft ausgeblendet, während die Frequenzbereiche frauenrelevanter Dinge--wie der Herdalarm und die schreienden Kinder--zusätzlich verstärkt werden.

Der nächste Valentinstag gehört mir!

Montag, 22. Juni 2009

Ode an den Walrossmann


Ode an den Walrossmann

Viele Monde ist es nun schon her,
Da sah ich dich nicht weit vom Meer.
Fern zeigte sich dein Anblick mir,
Wesen wundersam: halb Mensch, halb Tier.

Oh Walrossmann!

Als Bergmassiv aus Fleisch und ledern Haut,
Im Weiß des Sandes, im Schimmern der Sonne,
Erstreckt sich dein Leib so fremd und doch vertaut,
Dein Geist eine Feder, dein Körper eine Tonne.

Oh Walrossmann!

Kein eitles Menschsein macht schwer dein Haupt.
Fremd deiner Ruhe sind die Sorgen der Stadt,
Dies Kleid so fein, meine Glieder so matt.
Nur du liegst stolz, selbst wenn keine Auge schaut.

Oh Walrossmann!

Wie gern würde ich liegen hier,
In sanfter Anmut -- neben dir.

Mittwoch, 17. Juni 2009

My Home, My Castle


Jetzt weiß ich warum diese so genannten "Gated Communities" so einen schlechten Ruf genießen. Die Bewohner werden nicht selten von spontan zuschnappenden Todestoren zermalmt. Unbestätigten Schätzungen zufolge haben im letzten Jahr 76.000 New Yorker auf diese Art in den Suburbs der Metropolitain Area ihr Leben oder ihre Gliedmaßen verloren. Tragisch. Da bezahlt man hundertausende Dollar um blutdurstigen Latinogangs, toxischen Abgasen und militanten Homosexuellen zu entfliehen und bekommt sonntags von einem rostigen Metallgitter die linke Torsohälfte abgetrennt (laut Symboldbild die zu erwartende Todesart). Alles vor den Augen der Golffreunde und Kinder. Am Ende hat man letztere sogar die mörderische Anlage bedienen lassen, weil das Warnschild gerade in der Reparatur war.

Letztlich sind es nicht blitzartig zuschnappende Schreddertore die töten, sondern Kinder die zu dumm sind sie zu bedienen oder Eltern die zu langsam sind einem schleifenden Gitter mit 8 Metern Fahrtweg rechtzeitig auszuweichen. Bin ich froh, in einer Nachbarschaft zu leben in der Metalltore unter dem Todesursachen nur auf Platz 17 rangieren--gleich nach herunterfallenden Klimaanlagen, giftigen Stechrochen im Abwassersystem und dem Typen mit der verstimmten Panflöte in der Subway.

Achtung! More Action Less Tears competition of the month!
Welches ist eure liebste urbane Todesart? Der Gewinner oder die Gewinnerin bekommt eine rot-gelbe Schutzweste mit Reflexionsstreifen für mehr Sicherheit im Straßenverkehr.

Montag, 15. Juni 2009

Eat Your Local Heros


Es ist wahr, in Krisenzeiten müssen wir alle unsere Opfer bringen. Nachdem bereits die sterblichen Überreste des früheren Papstes ihrer profanen Bestimmung zugeführt (und mit Coke nachgespült) wurden, ist es nun an den furchtlosen Wächtern der Stadt, den Bewohnern ihre helfende Hand (und saftige Keule) zu reichen. Ein wenig zäh hat das Sandwich schon geschmeckt, mit leicht erhöhtem Bleianteil und moralistischem Beigeschmack. Andererseits gab es Honig-Senf Soße dazu. Für $7.95 unschlagbar. Wo steckt eigentlich Robin, wenn man ihn braucht?

Samstag, 13. Juni 2009

Besser zu Fuß


In New York dauert es durchschnittlich 60 Minuten bis jemand anfängt am Schloss eines geparkten Fahrrads zu sägen. Gerde genug Zeit um die Einkäufe zu erledigen oder das Monatsgehalt beim Hütchenspieler abzugeben. Deshalb findet man immer wieder innovative Ideen zur Verbesserung der Diebstahlsicherung. In diesem Fall hat der Fahrradbesitzer geglaubt, man könne das Vehikel außer Reichweite hängen und den Dieb damit überlisten. Sicherheitshalber wurde auch das Vorderrad abmontiert. Die Idee ist gut, die Ausführung eher mangelhaft. Intelligenz und Körpergröße des Gegenspielers wurden leider unterschätzt. Im Grunde muss sich der Dieb nicht mal mehr bücken.

Sonntag, 7. Juni 2009

Happy Faces for Happy People

Stadtrat Dresden? Da fällt die Wahl nicht schwer. Schließlich geht es um Vertrauen und Kompetenz -- um Persönlichkeiten, denen man nicht nur einen Gebrauchtwagen abkaufen würde, sondern die Geschicke der Stadt anvertrauen kann. Hier sind sie also, die Gesichter der Demokratie: Werner Succolowsky und Peter Berauer (ist sogar auf Facebook).

Der eine steht für soziale Sicherheit (auch in Ostpreußen), der andere überzeugt mit reiner Sympathie. Klevere Strategie der DSU auf "Personalisierung des Wahlkampfes" zu setzen, wenn man zwei so glamouröse Zugpferde im eigenen Stall stehen hat. Da müssen sich die etablierten Parteien erstmal vor die Tür trauen, mit ihren schmucklosen Jugendlichen, Frauen und Türken.

Wäre ich momentan in meinem alten Bezirk wahlberechtigt, meine Entscheidung stünde fest. Beide erinnern mich irgendwie an meinen früheren Nachbarn, den netten Herr Kernert aus dem ersten Stock. Gelegentlich lauerte er mir am Briefkasten auf, nur um "hallo" zu sagen (ich kann mir nicht vorstellen, dass ein 78 Jähriger tatsächlich immer um die selbe Zeit wie ich Post holt). Ich erinnere mich noch an eine unserer Plaudereien als wäre es gestern gewesen: "Na, wieder diese Schmutzhefte im Briefkasten?", höre ich es hinter mir schnaufen, noch bevor ich meine Einkaufstüten aufheben kann. "Nein Herr Kernert, lassen sie sich von dem Titelbild nicht täuschen. Das ist nur der SPIEGEL. Die müssen schließlich auch Geld verdienen." Meistens gelang es Herr Kernert mich innerhalb der nächsten 30 Sekunden in ausufernde Gespräche über Zeiten zu verwickeln, die selbst er unmöglich bewusst miterlebt haben kann.

Gerade in den Wochen vor der Stadtratswahl waren die Themen klar festgelegt. Seine Meinung auch. Er fände es nicht richtig, dass wir immernoch so viel Geld an "die Neger" zahlten. Schließlich habe man zur Kolonialzeit bereits genug Gutes "da unten" getan. Vielleicht hätte ich ihm besser sagen sollen, dass sächsische Kommunen keine Entwicklungshilfe leisten. Aber seiner Entrüstung hätte das ohnehin keinen Abbruch getan. "Da bringt man den Wilden Kultur und Technik - und was ist der Dank dafür?" Ich nicke verlegen, aus Mitleid. Herr Kernerts Gesicht strahlt. "Es wäre ja später noch was mit denen und den anderen da geworden." Natürlich nur, wenn Hitler nicht den Zweifrontenkrieg riskiert hätte. "Ich habe schon immer gesagt das war ein Fehler gewesen. Genau wie das mit den Juden!", brabbelt er in seinen Schnauzer. Man hätte letztere ja auch einfach "dahin abschieben können wo sie hergekommen sind".

Zu diesem Zeitpunkt beginnen Tiefkühlpizza und Chicken Wings in den Einkaufstüten zu tropfen. Da klopft mir Herr Kernert kameradschaftlich auf die Schulter. "Sie sind in Ordnung! Anständig. Nicht wie diese linken Chaoten." Ich danke meinem Nachbarn für die warmen Worte und verabschiede mich. "Am Sonntag DSU wählen!", höre ich seine Stimme noch hinter mir im Treppenhaus hallen. Was für ein netter Herr. Vielleicht hätte ich ihn bitten sollen im Sommer meine Blumen zu gießen und die Post reinzubringen. Ich denke ihm kann man vertrauen. Gefreut hätte er sich bestimmt auch.

Mein Dank für die Fotos geht an h-master! Ich hoffe einige der Plakate werden noch hängen, wenn ich wieder da bin.

Freitag, 5. Juni 2009

Es war einmal im Märchenland Europa...

Oh Freunde, tretet näher und hört die Geschichte vom Reich das kaum ein Sterblicher zuvor betreten hat! Nach jahrelangem Studium der überlieferten Schriften, ist mir selbst kaum mehr bekannt, als der Mythos der sich um diesen fabelhaften Ort rankt: Europa ist sein Name! Erzähler mit flinker Zunge und magischer Feder reisten in entlegene Gefilde, um uns Kunde von Europa und seinen Bewohnern zu bringen. Zurück kamen sie erfüllt mit gleichermaßen Angst und Hohn. Man beschwor die rachsüchtigen Mächte der Finsternis jenseits der menschlichen Vorstellungskraft. Man spottete über das aberwitzige Land der "Melonenrüben", "Traubenkönige" und "Bananenkrümmer". Welch ein unbarmherziger Ort, an dem die süßesten Früchte zu den bittersten Heimsuchungen werden!

Dem Hofadel unserer Wahl ist die Kunde vom fernen Europa längst bekannt. Seine Legion namenloser Archivare hält die kryptischen Berichte und unmöglichen Karten der königlichen Entdecker bis heute unter Verschluss. Man munkelt die Schriften seien verflucht mit schwarzer Magie. Kaum jemand hat es bisher vermocht davon zu berichten. Um das Labyrinth der Zeichen verlassen zu können, müsse jede sterbliche Seele deren unschuldige Augen Einblick in das Innere der dämonischen Bände erhalten haben, den Rest ihres Lebens im Verließ der staubigen Blätter die 27 goldenen Schlüssel für die 27 Pforten der Unterwelt finden ... blind. Andere erzählen, jenen Wanderern, die mit den dunklen Mächten einen Pakt schlossen, wuchs das Getreide bis in den Himmel. Die Milch ihrer Kühe wurde niemals schlecht und jeder Tropfen ihres vergärten Obstes wurde auf der Zunge zu köstlichstem Wein. Doch ein ums andere mal forderte der Pakt seinen unsäglichen Preis. Die Milch wurde fettarm und der Wein lieblich. Jene die sich nicht das Leben nahmen, verloren ihren Verstand.

Lange vor unserer Zeit, erdachten die weißen Magier des Landes einen kühnen Plan, um die finsteren Mächte Europas in Schach zu halten: Alle vier Jahre entsenden die Menschen aller Ländereien ihre klügsten und tapfersten Söhne und Töchter in das Herz des finsteren Reiches. Nur sie — so die weißen Magier — hätten die Kraft und die Weisheit die 27 Geister der Unterwelt zu zähmen und ihre Zauberkunst für Gutes zu nutzen. Doch ihr Vorhaben weckte den königlichen Zorn. Wie kann ihre Majestät das Land regieren, ohne die Klugen und Tapferen? Wer soll ihre Schönheit preisen und das wertlose Stroh der Bauern zu Gold spinnen? Also bauten die Berater der Königin für die weißbärtigen Greise einen Turm aus Elfenbein, so hoch, dass kein neugieriges Ohr im Lande länger ihre Stimmen vernehmen konnte. Anstelle der Klugen und Tapferen wählte der Hofadel aus seiner Mitte jene unliebsamen Vasallen, deren ungeschickte Worte der Königin mehr schadeten als nutzten, deren Hinrichtung von Geburtswegen jedoch nicht in Frage kam.

Der Legende nach gab die Königin ihren einfältigen Vasallen feinstes Silber, edle Stoffe und seltene Gewürze mit auf den Weg, um den kosmischen Mächten der Finsternis den Schwindel schmackhaft zu machen. Manch Schandmaul behauptet sie hätten ihr Ziel nie erreicht. Bis heute überziehen gelegentlich Pest und Dürre das Land. Immer wenn sich Gift in das Wasser mischt, die Ernte verdorrt und Hunger das Volk geißelt, verfluchen die Menschen Europa und suchen Halt bei den Priestern des Landes. Ihr kühler Nektar heilt nicht nur die Wunden, sondern lindert auch den Schmerz der Seele. Im Tempel des heiligen Wassers hört man das Volk die Gläser heben und dem königlichen Abbild strahlend entgegen rufen "Freude schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium! Wir betreten feuertrunken, Himmlische, Dein Heiligtum."

Samstag, 30. Mai 2009

Finally Master ... of Procrastination

Es ist amtlich: ich habe etwas getan das in dieser Gesellschaft als Leistung durchgeht. Ich darf mich nun offiziell "Meister" nennen. Früher haben die Leute ihren "Meister" in Automechanik oder im Brötchenbacken bekommen. Andere Meister hatten lange Bärte und konnten die 12 besten Krieger des Reiches in 30 Sekunden ausschalten ohne sie vorher den Boden berühren zu lassen. Ich bin nun Meister der Soziologie und kann weder Keilriemen wechseln noch "die tanzende Klapperschlange" gegen meine Feinde einsetzen. Was es nun genau ist das ich gelernt habe weiß ich nicht. Es wurde mir nicht beigebracht. Das einzige was mir meine alten Meister auf den Weg gegeben haben waren die Worte "ich hoffe du hast Verwandte in der Wirtschaft".

Bereits nach kurzer Lektüre der aktuellen Stellenanzeigen wird eines klar: junge Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen sind in der Wirtschaft äußerst unbeliebt. Personalleiter zählen sie zu der gleichen Gruppe von Versagern wie den Rest, nur mit höheren Gehaltsforderungen und der Erwartung mit Respekt behandelt zu werden. Manche Bewerbungsratgeber legen nahe, das Studium möglichst unerwähnt zu lassen und stattdessen bisherige Arbeitserfahrungen hervorzuheben. Ich frage mich, welcher Teil davon gemeint sein könnte: das Kaffeekochen am Institut, die Arbeit für das Callcenter dessen Betreiber mittlerweile in 7 europäischen Ländern polizeilich gesucht wird oder das Training im Bildungscamp der Junganarchisten. Vielleicht hätte ich bessere Chancen auf dem Jobmarkt, wenn ich mein Diplom verbrenne und mir von einem Dunkin‘ Donuts Filialleiter ein falsches Arbeitszeugnis für die letzten 5 Jahre ausstellen lasse.

So verlockend dieser Gedanke erscheint, eine Sache würde mir dann abhanden kommen: der Respekt meiner amerikanischen Mitmenschen. Ich war erstaunt und überwältigt zu erfahren welchen Stellenwert Bildungsabschlüsse in diesem Land genießen. Jeder dem gegenüber ich die langweilige Graduierungsfeier erwähne, übergießt mich mit warmen Glückwünschen. Fast bekommt man das Gefühl, die letzten 5 Jahre seines Lebens unter finanziellen und menschlichen Entbehrungen nicht sinnlos vertan zu haben. Ganz anders in Deutschland. Wer beim Prüfungsamt mit zitternder Hand die mühsam gesammelten Scheine der finster starrenden Sachbearbeiterin entgegen streckt, bekommt meist nicht mehr zurück als ein frostiges "Was haben sie so lange gebraucht?" oder "Der Stempel auf diesem Formular ist zu blass, wenden sie sich an ihr Institut".

Beim nächsten Familientreffen sieht es nicht anders aus: Während in den USA die Eltern extra vom Guerilliakampf aus Venezuela einfliegen, nur um in Tränen zu sehen wie ihrem Töchterchen das Diplom überreicht wird, hört der erfolgreiche Absolvent in deutschen Landen eher Ermutigungen wie "Was!? Ich dachte du bist schon seit 2 Jahren fertig!" oder "Prima, dann brauchen wir dir für diesen Monat keinen Unterhalt zahlen!" Allerdings habe ich hier in den USA einen Verdacht. Die Banken welche den hiesigen Studenten Kredite im fünfstelligen Bereich gewähren, haben Eltern und Bekannte auch gleich vertraglich dazu verpflichtet stolz auf ihre Sprösslinge zu sein. Wenigstens eine Sache die in der derzeitigen Wirtschaft reibungslos funktioniert.

Dienstag, 19. Mai 2009

A Simple Process of Elimination?

Manchmal klopft meine kreative Vergangenheit an der Tür und ich weiß nicht ob ich aufmachen soll. Ich entstaube gerade meinen alten Amazon.de Account. Da ist mir aufgefallen, dass ich ich vor vielen Jahren eine ganze Reihe Rezensionen über allerhand Plunder aus Papier und Plastik verfasst hatte. Texte die vollkommen von meinem Radar verschwunden waren und mir nun unvermittelt ins Gesicht grinsen. Mein erster Gedanke: sofort löschen. Sollte einer diese Stalker aus den Personalabteilungen Deutscher Unternehmen gut genug sein diese halbgaren Kreationen eines pubertären Musiknazis aufzuspüren bin ich geliefert!

Dann musste ich jedoch feststellen, dass einige der Rezensionen von einer erschreckenden Anzahl von Leuten als "hilfreich" eingestuft wurden. Wenn diese Texte anderen Leuten tatsächlich von Nutzen sind, kann ich ihre Existenz dann ohne weiteres auslöschen? Gehören sie mir überhaupt noch oder haben sie über die Jahre heimlich ein eigenes Leben entwickelt? Nicht dass wir uns hier falsch verstehen. Die Allgemeinheit wird nach anfänglicher Lähmung über den Verlust dieser Kritiken hinwegkommen. Aber irgendwie sind Texte auch wie Kinder. Diese unerwartete Wiedervereinigung erinnert mich an unzählige Eskapaden mit diversen Zeitungen und Onlinemedien von denen ich auch schon lange nichts mehr gehört habe. Was wenn die plötzlich alle vor meiner Tür stehen und Unterhalt einfordern?

Was der genetische Vaterschaftstest für Welt der Geschäftsreisenden, sind Internetdatenbanken für Leute die viel zu früh angefangen haben ihre verbalen Sprösslinge unbedacht in die Welt zu entlassen. Dabei kann ich froh sein, meine politische Meinung damals weitestgehend für mich behalten zu haben. Was da an meinem Hosenbein zerrt ist höchstens drollig, vielleicht etwas ungelenkt und--nunja--weist auf übermäßigen Alkoholkonsum vor der Geburt hin. Aber gleich umbringen? Ich glaube ich behalte die Kleinen als Andenken.

Sonntag, 17. Mai 2009

Electric Wizard


Vor kurzem in der Subway: Da sage nochmal jemand Violine spielen sei nicht Metal (der Griff!). Wer den Song errät bekommt ein Solo.

Mittwoch, 13. Mai 2009

Return to Thunder Mountain


Der Sommer hat auch sein gutes. Nachdem ich mich vermehrt über diese Jahreszeit entrüstet habe, muss ich zugeben, dass man viele Dinge am besten bei sonnigem Wetter macht. Rumballern, zum Beispiel. Zugegeben, der Staat New York stellt sich mit Schusswaffen etwas weinerlich an. Was würden wir da ohne den netten Nachbarn westlich des Hudson River tun? New Jersey, das Brandenburg der Ostküste, bietet das geladene und entsicherte Naturerlebnis für die ganze Familie.

Die Butterbrote sicher unterm Sitz verstaut, mache ich mich mit ein paar Bekannten auf den Weg über die George Washington Bridge hinein in die Freiheit. Die Stimmung ist gut, zwei meiner Mistreiter feiern mit diesem Ausflug ihren Geburtstag. Nach einer Stunde Fahrt signalisiert ein großesformatiges gelbes Schild das nahende Ziel. Normalerweise nehme ich nur ungern Abfahrten mit Namen wie "Thunder Mountain" (selbiges gilt für "Death Valley" und "Plains of Pain"), aber das Fadenkreuz in der oberen Ecke des Verkehrszeichens erweckt mein Vertrauen.

Angekommen im Besucherzentrum der weiträumigen Anlage, fühle ich mich gleich wie zuhause. Die Einrichtung versprüht rustikalen Berghüttencharme. Das Muttchen am anderen Ende der Theke fragt ob sie uns nicht ein paar Kekse und eine Tasse Kaffee bringen kann. Ich lehne höflich ab. Kekse habe ich auch zuhause. Mit warmem Lächeln will sie wissen welche Munition es denn sein soll. Ich frage ob der Laden auch die neuen Organschredderprojektile führt, von denen man so viel im Fernsehen hört. Leider nein, aber ich könne nächstes mal gerne meine eigene Munition mitbringen, solange ich keine internationalen Menschenrechtskonventionen verletze.

Im kaminbeheizten Warteraum vergehen die Minuten bis unser Instructor eintrifft. Ich schmökere in einer älteren Ausgabe von Ducks Unlimited. Ich erfahre, dass Pine Acre Labrador Retrievers zu den beliebtesten Jagdhunden gehören, weil sich schon die Welpen das meiste selbst beibringen und alles tun um ihr Herrchen zufriedenzustellen. Also ganz anders als mit den eigenen Kindern.

Für diesen Nachmittag begnügte ich mich damit auf bewegliche orangefarbene Scheiben zu schießen. Als mir beim ersten ungeschickten Feuerversuch der Rückstoß fast das Gebiss ausschlägt, muss ich mich fragen wie so viele Amerikaner den Sommer ohne Krankenversicherung überstehen. Zwischenfälle gab es aber sonst keine. Niemand hat dem anderen ins Gesicht geschossen. Das soll ja selbst bei erfahrenen Jägern öfters mal vorkommen. Ein rundum gelungener Sonntag also.

Freitag, 8. Mai 2009

Sympathy for Evil Spacemonsters (Star Trek XI)

Ich war gestern in der US-Premiere von Star Trek und wurde nicht enttäuscht. Amerikanische und deutsche Medien waren sich bereits einig: Zum ersten Mal konnte sich die USS Enterprise aus dem betäubenden Mief des Franchise herausmanövrieren. Zu sehen ist nicht weniger als eine grandiose, laut-polternde Kino-Revolution! In einer Zeit in der Filme von Alleinunterhaltern wie Michael Bay und Jerry Bruckheimer mit zerebralem Dünkel jeden Normalsterblichen gelangweilt aus dem Kinosessel rollen lassen, blieb J.J. Abrams der bildstürmerischen Linie der "Star Trek"-Schöpfer treu.

Abrams setzte sich zwischen alle Stühle indem er beliebte Pop-Motive wie die humanistische Mission, ethische Dilemmata und unorthodoxe soziale Rollenmuster opferte. Statt dessen riskierte er mit technisch brillanter Bildgewalt, schneller Action und heißen Kurven einen kommerziellen Fehlschlag. Aber ich denke sein Mut wird sich an der Kinokasse auszahlen. Er hat das Franchise zu seinen Wurzeln zurückgeführt: weiße Posterboys geben fiesen Spacelords ordentlich eins auf die Fresse.

Mittwoch, 6. Mai 2009

German vs. American Comdey: Proof me wrong...

Warum deutsche Comedy mehr Schlagfertigkeit braucht: John Stewart



Warum deutscher Comedy politisches Rückgrat fehlt: Bill Maher



Warum deutsche Comedy keinen Sprachwitz kennt: Chris Rock



Warum deutsche Comedy kein Selbstironie versteht: Woody Allen



Warum deutsche Comedy keine Persönlichkeiten hat: Stephen Colbert

Montag, 4. Mai 2009

Ich bin's Nu(h)r? In den Staaten ist mehr drin

Langsam kommt bei mir der Gedanke an bald wieder in Deutschland zu leben. Im Schlepptau befinden sich Angst und Unsicherheit. Sozialistisches Utopia hin oder her – werde ich ohne die lieb gewonnen kulturellen Institutionen der Staaten wirklich frohen Mutes meinem Tagewerk nachgehen können? Was wird aus ethnischer Vielfalt, Optimismus und Deep-fried Twinkies? Noch gravierender: was wird aus meinem Wohlbefinden ohne regelmäßige Dosis sozialkritischer Comedy?

Man kann über das US-Fernsehen sagen was man will, aber wenn ich (Achtung, Rhetorik!) abends den Fernseher einschalte, kann ich mir sicher sein auf einem der 475 Kabelsender die an unserer WG anliegen ein Gesicht zu finden das mir erklärt wie die Welt in Zeiten von Finanzkollaps, Folter und Killerviren wirklich ist: witzig. Stephen Colbert, John Stewart, Bill Maher, Conan O’Brien und (unfreiwillig) Bill O’Reilly ersetzen gerne mal die Abendnachrichten, weil sie es verstehen absurd aber clever das Zeitgeschehen einzufangen. Wen haben wir auf der anderen Seite des Atlantiks? Das witzigste Gesicht im deutschen Fernsehen ist das von Horst Köhler, der seinen Beruf leider knapp verfehlt hat.

Bevor ich Deutschland für die letzten zwei Jahre den Rücken kehrte, tendierte mein Interesse für TV-Comedy gegen Null. Meiner damaligen Erfahrung nach gab es durchaus Dinge die überzeugend und nachhaltig komisch waren: sächselnde End-30er auf viel zu großen Bühnen in nicht altersgerechtem Schuhwerk gehörten nicht dazu. Stand-Up Shows und Late Night Television haben mir gezeigt, dass Menschen die witzig sein wollen es auch können—nur nicht in Deutschland. Diese Kritik auch an anderer Stelle zum Mantra geworden. Aber so leicht wollte ich nicht aufgeben. Ich habe in den letzten Tagen mittels der Nominierungslisten des Deutschen Comedy Preises—vermutlich das who-is-who der mittlerweile früh-40er im Komödienstadl—mein Gedächtnis wieder etwas aufgefrischt.

Ein Fehler, wie sich herausstellte. Seit dem sein Hauptbrennstoff—Geschlechterwitze—verbraucht ist, schrumpft Mario Barth, einst der helle Riese am Deutschen Comedy-Himmel, zu einem weißen Zwerg zusammen. Rüdiger Hoffman versenkt ab und zu einen Lacher, nur leider mit einer Dichte von Eins pro Stunde. Olaf Schubert beweist, dass am liebsten immer noch aus obszönem Mitleid gelacht wird. Michael Mittermeier würde mit seiner dümmlich-drolligen Art nerven, selbst wenn man ihn nur beim Bäcker träfe. Michael Bully Herbig versteht es sich zu inszenieren, kann aber nur schwer seine mangelnde Beobachtungsgabe wettmachen. Bei Hella von Sinnen, Anke Engelke und Atze Schröder sind die Namen der witzigste Teil der Show. Dieter Nuhr, der hartnäckige Hoffnungsträger des Landes, macht aus seinem Abitur zwar kein Geheimnis, hinterlässt mit seiner austauschbaren Bühnenpersona und dem Charme eines ernüchterten Gymnasiallehrers leider trotzdem keinen bleibenden Eindruck.

Das Kriterium „sozialkritisch“ habe bei dieser Aufzählung gar nicht erst angewendet, denn sonst hätte ich mir die Gegenüberstellung gleich ganz sparen können. Was soll man da noch sagen? Richtig. All jenen die mir bis hierhin gefolgt sind, kann ich nur raten bei Bedarf ihr Sprachkulturlexikon rauszukramen und sich mit mir an Klassikern wie Chris Rock, Woody Allen, George Carlin, Jerry Seinfeld, David Letterman, Richard Pryor sowie den oben genannten Frontläufern zu erfreuen. Reicht ja auch.

Sonntag, 3. Mai 2009

-- lesstears.de --

Und da sage nochmal jemand es gäbe keine Fortschritt! Für alle die sich wie ich im eigenen Bad verlaufen und auch sonst eher Probleme haben Sachen wiederzufinden, habe ich endlich eine kurze und merkbare Domain eingerichtet:

http://lesstears.de

Freitag, 1. Mai 2009

Social Warriors


Fabrikarbeiter im Fernsehen um ihre Jobs kämpfen lassen? Kapitale Idee! Ich frage mich wieso das niemandem schon früher eingefallen ist. So viele Massenentlassungen hätten uns mit adrenalingeladenen Dramen den Feierabend versüßen können.

Deutschland sollte sich auch was einfallen lassen. Wie wäre es mit:

The Gay Challenge!: Welches der drei Schwulenpärchen schafft es unversehrt ein Fußballspiel im Fanblock des FC Bayern München zu überstehen? Kleiner Tipp: keines.

Ich krieg Harz IV, holt mich hier raus!:Managen sie ein vierköpfige Familie mit 100 Euro ALGII. Wessen Kind zuerst an Skorbut erkrankt ist raus.

Das Kassenpatientenduell: Bewerben können sich alle Kandidaten die weniger als 4 Wochen zu leben haben, wenn sie keine angemessene Behandlung bekommen. Nur wer die beste Strategie im Wartezimmer und vor Gericht hat bekommt rechtzeitg das volle Leistungspaket!

Mittwoch, 29. April 2009

Erlebnisgesellschaft Revisited


Sommer 2009: Nachtrag. Der Asphalt dampft, der Himmel strahlt tiefblau--dazwischen spähen abgemagerte Geier ihre Beute aus. 475 Fernsehkanäle--auf 213 laufen Wiederholungen der ersten Buffy Staffel, die anderen gehören Scientology. Bezahlt von verzweifelten Abteilungsleitern, ziehen Flugzeuge dicht an den Scheiben der gläsernen Büropaläste vorbei, um den vor sich hinsiechenden Mitarbeitern dahinter für wenige Minuten Leben einzuhauchen.

Der spaßigste Ort der Stadt ist zu dieser Zeit--ganz recht--das neu-eröffnete Coney Island Playland! Für lächerliche $20 für Erwachsene / $15 für Kinder können sich alle jene die sich die Flucht aus der Stadt (vorzugsweise nach Disney Land) nicht leisten konnten, nach Herzenslust im kinderfreundlichen Naturreservat direkt vor der Haustür austoben. Drei preisgekrönte Landschaftsarchitekten haben nach Jahren pedantischer Planung ein Fleckchen Coney Island naturgetreu mit Hilfe verloren geglaubter Dokumente der ersten Siedler rekonstruiert. Nachgestellt wurde jener Landschaftstyp der vor Errichtung der Stadt die gesamte südliche Hälfte Brooklyns auszeichnete: die Schlammwüste.

Damit steht die neue Hauptattraktion des legendären Freizeitparks. Bürgermeister Bloomberg erklärte letzten Dienstag stolz in der New York Times: "Kaum zu glauben welch kleines Wunder das Architektenteam Kraft seiner Vorstellungskraft und rund $50 Millionen US-Dollar in nur vier Jahren realisiert hat." Der republikanische Milliardär fügte an: "Ich denke wir haben es mit diesem eindrucksvollen Beispiel Amerikanischen Fortschritts all jenen gezeigt, die gegen den Abriss des Coney Island Sozialbauprojektes waren oder ideologisch blind den baubedingten Kollaps des Abflusssystems vorhergesehen hatten."

Samstag, 25. April 2009

Madness and Civilization


Mein Facebook Newsfeed liest sich neuerdings wie der Wetterbericht: „32 Grad am Sonntag?! Das ist zu schön um wahr zu sein!“ Ein Kommilitone ist gerade „basking in Central Park“ und eine Frau die sich auf ihrem Profilbild mit einer schwarz-gestreiften Katze präsentiert, verkündet „the best season has officially started!!!1“ Kurze Zeit später treffe ich treffe eine Freundin zum Mittagessen. Es gibt Pan Thai (sehr lecker!). Ich verspüre den Drang mich über die Parallelen zwischen den vor einigen Tagen von der Obama-Administration veröffentlichten „Torture Memos“ und den verstörenden Verhörszenen in George Orwells 1984 zu echauffieren. Die Ähnlichkeiten sind frappierend. Im ersten Schritt förderten speziell ausgebildete CIA-Mitarbeiter die schlimmsten Ängste des zu verhörenden Guantanamo-Insassen zu Tage. Im zweiten Schritt wurden selige Objekte panischer Angst (sagen wir Insekten) auf subtile Weise mit der Auskunftsbereitschaft des Gefangenen verbunden.

Die braunen Augen meiner Bekannten funkeln fröhlich. Ungewöhnlich in Anbetracht unfassbarer Gräueltaten. „Ist heute nicht ein schöner Tag? Ich hoffe es wird bald noch wärmer, dann kann ich endlich wieder leichtere Schuhe anziehen.“ Zugegeben, Sandalen haben etwas erfrischendes, ungeachtet ihrer modischen Grausamkeit. Trotzdem kann ich ihre alles andere in den Schatten stellende Glückseligkeit über den unvermeidlichen Gang der Jahreszeiten nicht ganz nachvollziehen. Das Pan Thai lässt immer noch auf sich warten. Ich werde langsam ungeduldig und gereizt. „Ach, ich erinnere mich, du kannst den Sommer ja nicht leiden“, lacht sie mir entgegen. Eine glatte Lüge. „Das liegt wahrscheinlich an deiner protestantischen Lebenseinstellung. Du solltest mal wieder etwas Spaß haben!“ Ich weiß nicht über welchen Teilsatz ich mich mehr aufregen soll.

Mir platz der Kragen. „Spaß!? Reden wir hier von der gleichen Jahreszeit?! Von allen Zeiten des Jahres ist der Sommer jene in der der Spaß als erstes in der sengenden Sonne verdampft! In welcher Stadt lebst du eigentlich? Das ist New York. In wenigen Wochen werden die Temperaturen in dieser Betonwüste die 40-Grad Marke erklimmen. Die mit maximaler Feuchtigkeit getränkte Luft wird mit toxischen Abgasen verschmelzen und eine undurchdringliche Wand atemraubender Schwüle bilden. Der Müll der zahllosen Imbissbuden wird anfangen zu verrotten, bevor er überhaupt die gierigen Mäuler der auf den Fußgängerwegen lauernden Rattenlegionen erreicht. Glücklicherweise wird der alles durchdringende Gestank von den wasserfallartigen Ausdünstungen von grob geschätzt 8 Millionen auf einer schmalen Insel eingeschlossenen Menschen überdeckt werden.“ In diesem Moment erreicht mich meine Nudelpfanne.

Schmatzend, aber nicht minder bestimmt fahre ich fort: „Die beißenden UV-Strahlen der von dir so geliebten Sonne werden unausweichlich ihren Weg durch das 'Ozonloch' genannte atmosphärische Scheunentor auf deine Haut finden. Die oberen Schichten deiner Epidermis werden beginnen langsam aber stetig zu verbrennen, während dein masochistischer Körper wohlig-warme Glückshormone ausschüttet. Jene Hautzellen die nicht das Glück haben abzusterben und sich dem Schuppenregen ihrer Freunde anzuschließen, werden als Krebszellen wiedergeboren werden, wenn sie nicht bereits als Metastasen aus dem letzten Sommer damit angefangen haben im Rest deines Körpers Strandurlaub zu machen. Vielleicht schaut auch mal jemand im Gehirn vorbei, denn im Angesicht gesundheitlich bedenklicher, jedoch von der Freizeitindustrie bejubelter Temperaturen ist die Schädelmasse längst zu einem gefällig wabernden Brei geworden. Der Sommer lässt einst noble Geschöpfe zu keuchenden, schwitzenden, schwerfälligen Haufen Biomasse welken. Von der einstigen Würde des Menschen, keine Spur. Eigentlich müsste die UNO einschreiten, aber leider werden derzeit die Klimaanlagen im Tagungsgebäude gewechselt.“

Meine Bekannte schaut mich an, mit gütigem Blick. „Aber im Sommer kann man so viele schöne Dinge machen! Am Strand liegen, im Biergarten sitzen…“ Ich muss unterbrechen: „Eine andere Wahl hat man auch nicht, in Anbetracht der sozialen, politischen und medialen Wüste die sich jedes Jahr um diese Zeit zwischen dem 50. Breitengrad und dem Äquator ausbreitet! Im so genannten Fernsehen werden die lächerlich dummen Sendungen aus der Main Season durch Wiederholungen noch dümmerer Sendungen aus dem Sommerlochrepertoire ersetzt. Parlamente und Redaktionen steigen Hand-in-Hand in die Party-Bomber nach Florida, Mallorca und Thailand. Kulturelle Events die sich nicht zwischen zwei Brötchenhälften pressen lassen werden kommentarlos verschoben. Niemand kann bei 38 Grad und 2,6 Promille Pollock anschauen ohne sich dabei übergeben zu müssen.“

Ich lobe das Essen, frage nach der Rechnung und fahre nahtlos fort: „Ich sehe das Bild schon vor mir: ein typischer Sonntagnachmittag im Juli. Ich trete auf die rissige Straße. Ich bin der letzte Mensch auf diesem Planeten. An der nächsten Kreuzung sehe ich einen flüchtigen Schatten durch den gelb-schimmernden Dunst huschen--oder war es nur eine Fata Morgana, eine optische Täuschung verursacht durch die Hitze des allmählich verdunstenden Asphalts? Aus der Ferne dröhnt die leiernd-verhallte Melodie eines Eiswagens. Aber sobald ich um die Ecke gerannt komme, ist er plötzlich verschwunden. Jeder Mensch bei Verstand verlässt die Stadt, bevor er Gefahr läuft selbigen zu verlieren. Jene unglückliche Kreaturen die nicht rechtzeitig fliehen konnten streifen ziellos, am Wahnsinn nagend durch die apokalyptische Einöde, die in Reiseführern euphemistisch als 'Coney Island' bezeichnet wird (obwohl es sich eigentlich um eine Halbinsel handelt). Ihre matten, klebrigen Körper schleppen sich durch die ungewisse Leere dahin schmelzender Seitengassen, gelegentlich betäubt mit einer Kugel Langnese Mango-Vanille oder einem Schluck Coca Cola Zero Cherry, geschlürft aus einem dosenartigen Aluminiumbehältnis das vage an die glorreiche Vergangenheit einer untergegangenen Produktionsgesellschaft erinnert.

Mein Gegenüber lauscht geduldig, während ich zum finalen Schlag aushole: "Nach den mühsamen 300 Metern zwischen Subway Station und der Wasserfront brechen die letzten Widerständler keuchend und zuckend im glühenden Sand zusammen. Pflanzen und Tiere sind längst dem sengenden Inferno zum Opfer gefallen. Nur eine schäbig bemalte Plastikpalme inmitten der weißen Einöde spendet rettende Wasserspritzer. Tod und Verfall, die alles verschlingenden Kinder des Sommers, haben die letzten Stadtbewohner zur Wiege allen Lebens getrieben. Auch ich lasse mich in den endlosen Ozean der bewegungslosen Körper fallen. Während mir der gelbe Feuerball den letzten Funken meiner Lebensenergie aussaugt und die Lieder langsam über meine vertrockneten Augäpfel sinken, höre ich mich selbst aus der Ferne sprechen: Halte durch! In 3 Monaten ist alles vorbei...“

Ich atme auf. Meine Bekannte und ich stehen vor dem Eingang des Thai-Restaurants. Auf der anderen Straßenseite steckt ein dicklicher Beamter einen gelben Zettel unter den Scheibenwischer eines Jeeps der Marke GM. „Hast heute noch was vor?“, fragt sie mit verschmitzter Unschuld. „Nö, nicht wirklich“, antworte ich teilnahmslos. „Hast du Lust mit in den Park zu kommen? Der botanische Garten hat seit letztem Montag wieder geöffnet.“ Ich willige erfreut ein. Dann kann ich mir unterwegs auch gleich ein Eis am Stiel mit Doppelt-Schokolade und Karamell kaufen (sehr lecker!).

Freitag, 24. April 2009

Dear Monsters, Be Patient


Die Wirtschaftskrise zieht weite Kreise.

Dienstag, 21. April 2009

An Invitation to Dead Sociology

Das macht man also wenn man tot ist. Twittern. Pierre Bourdieu hat beispielsweise vor 7 Minuten getweeted:
Details about the late Norbert Elias's international untied-shoelace experiments were difficult to track down
Wer kennt das nicht.

Montag, 20. April 2009

Doggy Bag

Hunde, einst zähnefletschende Raubtiere, haben sich dem modernen Leben ihrer Domestizierer angepasst. Ihr Lebensraum: die Handtasche wohlparfümierter fashion-victims. Doch nun sehen sich die mittlerweile bis zur evolutionären Unkenntlichkeit gestraften Tiere mit einem neuen Eindringling konfrontiert: der Hund-gewordenen Handtasche.
Tierschützer befürchten, dass die aus Bangladesh eingeführte Spezies verheerende Auswirkungen auf die lokale Handtaschenhunde-Population haben könnte. Eine seltene Mutation (Reißverschluss auf der Rückenseite und Mangel an inneren Organen) hat die tragbaren Lebensbegleiter auf die Alltagserfordernisse ihrer Besitzer perfekt abgestimmt. Die weniger angepassten "konventionellen Hunde" werden, so vermuten Umweltexperten, bereits in wenigen Jahren aus ihrem Marktsegment Lebensraum verdrängt worden sein.

Die einzige Hoffnung gemeiner Kreaturen wie dem Mops oder Chihuahua besteht in der Ausbreitung in andere Umweltnischen oder der Symbiose mit den zuweilen etwas leblos wirkenden Artverwandten. Postings bisheriger Sichtungen sind erwünscht.

Freitag, 17. April 2009

Truthiness at Last!


Jon Stewart und Stephen Colbert in einer Woche. Was soll jetzt noch kommen?

Bleibt nur die Frage nach dem direkten Vergleich: wer von beiden hat den längeren Schreibtisch? Beide Shows nehmen sich auf dem Bildschirm nicht viel. Beide Comedians sind fanatische, über-professionelle Perfektionisten. Während Colbert jedoch auch hinter der Kamera den Zuschauern einheizt und zu Späßen mit der Crew aufgelegt ist, könnte Stewart mit seiner Mimik mühelos ein Pokergame gewinnen.

Jon besticht durch ironische Distanz und kritischen Biss. Colbert möchte man am liebsten mit nach hause nehmen. Zum ersten Mal wurde mir wirklich bewusst warum Mr. Handsome fast jede Show gegen Homosexuelle wettern muss ("number one threat to the country").

Außerdem sollte Stewart endlich aus seinem linksliberalen Dornröschenschlaf erwachen. The storm is coming...

The Colbert ReportMon - Thurs 11:30pm / 10:30c
The Colbert Coalition's Anti-Gay Marriage Ad
colbertnation.com

Der Rest (man achte auf suspekte Gestalten im Publikum).

Mittwoch, 15. April 2009

Moment of Zen

Da schaffe ich es schon mal in Jon Stewarts Stube - und wer schaut vorbei? Ein kontroverser Polit-Schaumschläger oder B-Promi (Ben Affleck kommt übermorgen)? Nein. Ron Darling, Ex-Spieler der New York Mets, tronte stoisch auf dem Bürostuhl auf der anderen Seite des Interview-Tisches. Nebenbei hat er etwas von Baseball erzählt. Dabei müsste er zuhause sitzen und schmollen. Das erste Spiel im neuen Stadion: gnadenlos vergeigt. Wieso muss mir das immer passieren? Aber bin versöhnlich gestimmt. Wer kann diesem Gesicht schon etwas übel nehmen?

The Daily Show With Jon StewartM - Th 11p / 10c
Road to the Doghouse - Bo Obama
thedailyshow.com

Der Rest.

Freitag, 10. April 2009

Die Ewige Wiederkehr des Gleichen

Da bleibe ich einmal Morgens zuhause im Bett und verpasse die Revolution. Das ist eine dieser tragischen Geschichten die nie erzählt werden. Ähnlich wie mir erging es schon Vasili Leanowicz, der heute vollkommen unbekannten rechten Hand Lenins. Am Vorabend der Oktoberrevolution 1917 saß der charismatische Anarchist der ersten Stunde bis in die frühen Morgenstunden nervös vor dem Fernseher, wurde beim ersten Morgengrauen auf der Couch vom Sandmann überwältigt und stellte am darauf folgenden Nachmittag mit Entsetzen fest bereits im realen Utopia angekommen zu sein. Geschichte wiederholt sich.





Donnerstag, 9. April 2009

Maspeth, the Meaning of Pain?

Was passiert wenn man sich den Zorn von UPS einhandelt? Wie schon andere kafkaeske Mächte zuvor versteht es die weltweit größte Transportfirma ihre Kunden an unwirtlichen Orten zu unmenschlichen Zeiten absurde Dinge tun zu lassen, wenn man es wagt gegen der Funktionsweise der großen Maschine Widerstand zu leisten. Die Maschine ist in diesem Fall der New Yorker Auslieferungsdienst für Privatkunden und Widerstand bedeutet drei Mal den Lieferboten nicht empfangen zu haben. Er hätte wenigstens klingeln können.

Einmal in die Kategorie der Endabnehmer-Delinquenz hineingeraten, gibt es nur einen Weg die Gunst des freundlichen Konzerns mit dem verdächtig braunen Logo zurückzugewinnen: die Pilgerfahrt ans andere Ende der Welt--für den New Yorker: Long Island/Queens. Die zentrale Abfertigungsstelle des Bezirks New York liegt in Maspeth, NY, einem Ort über dessen Erreichbarkeit man sich erst in obskuren Internetforen informieren muss. Ich erwähnte den Ort gegenüber Einheimischen, erntete jedoch entweder dumpfe, fragende Blicke oder bitter schallendes Gelächter. Schwer zu sagen was davon beunruhigender war.

Ein kauziger Busfahrer nimmt mich von der Endhaltestelle des M-Trains mit zu meinem Ziel. Auf dem Weg sehe ich Amerika, geräumige Einfamilienhäuser neben traditionalen Queens-styled Mehrfamilienhäusern. Dazwischen Autos und Vorgärten. Sonst nichts. Schnell wird aus den Subprime Mortgage Domizilen eine endlose Industriehallenlandschaft. Ich steige neben einem Diner aus das mich gleich an drei Serienkillerfilme und eine ARD-Doku über den "American Decline" erinnert. Um mich herum erstrecken sich nichts als Beton und gähnende Leere.

Ich erinnerte mich an meine Mission und den Hinweis in einem der Foren doch möglichst eine Karte oder ein GPS-Gerät mitzunehmen. Letztlich führt mich die Spur eines UPS-Wagens zu einem gigantischen grau-braunen Kasten, einer umzäunten Lagerhalle vor der normalerweise Wachhunde und Selbstschussanlagen lauern. Das zerkratze Schild mit der Aufschrift "Customer Center" wirkt eher wie eine Falle. In der surreal dimensionierten Eingangshalle warten 5 untätige Mitarbeiter hinter einem langen Metalltresen. Im Hintergrund plätschert eine Jessica Simpson Ballade. Ein Schild weist darauf hin, dass hier Päckchen aufgegeben werden können. Den ausdruckslosen Gesichtern zufolge, wird jeder Kunde der tatsächlich etwas aufgeben will, einen kollektiven Herzinfarkt auslösen. Ich gehe einer Tür weiter und betrete die Lagerhalle, an dessen Eingang ein weiterer Tresen und ein kleiner Wartebereich eingerichtet sind.

"What can I do for you, sir?" In den Augen des Schaltermenschen flackert Angst auf. Werde ich ihn anbrüllen, ihm die Faust ins Gesicht rammen, für das Leider das mir bisher angetan wurde? Mitleid überwältigt mich und ich lege artig meinen Benachrichtigungsbeleg vor. Der Mann mit dem Dreitagebart und den kleinen Knopfaugen scheint verwirrt. Meine Daten werden umgehend abgerufen. "Bitte warten sie dort drüben." Seine Hand deutet auf eine Gruppe von Stühlen. Darauf sitzend, Menschen, jung und alt, gerade dabei unter ihren Jacken die Messer zu polieren--manche nicht nur sprichwörtlich. Eine ältere schwarze Frau erzählt mir über die Dreistigkeit von UPS sie hier raus zu bestellen und dann auch noch 15 Minuten warten zu lassen. Die anderen drei starrten gelangweilt und verbittert ins Leere. Nur ein Mann mittleren Alters mit Schnauzbart und Adidas-Hose grinst in sich hinein. Angst steigt in mir auf. Ich reiße dem UPS Mitarbeit das Päckchen aus der Hand und stürme ins Freie.

Auf der fußgängerwegfreien Straße zur Bushaltestelle frage ich mich wie häufig es hier wohl zu Amokläufen kommt. Meine gesamt Wut wurde aufgelöst in Sympathie für jene Menschen die dort täglich arbeiten. Ob die Obrigkeit Schwererziehbare hierher vermittelt um ihren Willen zu brechen? Vielleicht ist aber auch alles nur eine neue, abgefahrene Game-Show. Eines dieser Formate bei denen Menschen sich allerlei körperlichen und seelischen Belastungen aussetzen müssen, um am Ende mit einem großen Dollar-bedruckten Geldsack nach Hause gehen zu können. Hoffentlich.

Dienstag, 31. März 2009

Sacrilicious

Irgendwas an diesem Schaufenster erregte meinen Verdacht. Leider bin ich der polnischen Sprache nicht mächtig, aber es gibt ja nur eine beschränkte Anzahl an Erklärungsmöglichkeiten was Papst Johannes Paul II. mit dem Slogan "Hot Food to Go!" verbindet.

Einge Theorien:

1. Der Papst hat hier vor seinem Tod des öfteren diniert und diesem kulinarischen Himmel auf Erden seinen Segen erteilt. --- Sehr unwahrscheinlich. Nicht nur hat hier der Kaffee geschmeckt wie aufgekochte Blumenerde, die Preise für diese Nachbarschaft waren auch viel zu hoch und überhaupt hat der Papst sicher sein eigenes "Deli" Bistro im Schlafzimmer. Wenn Tommy Lee sein eigenes Starbucks im Haus hat, dann hat der Papst seinen eigenen Deli.

2. Das Essen hier wird vom Papst serviert/gesegnet und ist deswegen immer heiß und besonders schmackhaft. --- Auch sehr unwahrscheinlich. Johannes Paul II ist doch schon längst tot! Das wäre den Anwohnern doch aufgefallen, wenn im Schaufenster mit etwas geworben werden würde das gar nicht stimmt. Vor allem weil hier doch so viele polnische Einwanderer leben. Nein, nein, es muss etwas anderes sein.

3. Der heilige Leib des Papstes selbst wird hier zum Verzehr angeboten. --- Das muss es sein! Nicht nur ist der Papst verstorben und daher nicht mehr in der Lage sich selbst zu verteidigen. Vielmehr heißt es auch in der Bibel "das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird“ (O-Ton Jesus), neben "schmecke deinen Nächsten". Was für ein skandalöser Fund! Und niemand außer mir hat es bemerkt. Johannes Paul II. war ein Papst des Volkes. Es wird den Vatikan nicht sonderlich erfreuen zu sehen wie eine kleine polnische Gemeinde in Ridgewood, NY sein delikates Andenken für sich allein beansprucht!

Freitag, 20. März 2009

A Perfect Day To Chase Tornados

Der moderne Mensch--mit seinem Lebensraum zwischen klimatisiertem Einfamilienhaus, klimatisiertem Auto, klimatisiertem Bürogebäude und klimatisiertem Department Store--mag nur noch selten den Kontakt mit der so genannten "Natur" pflegen. Sie meldet sich ja auch nur wenn sie was will.

Allerdings bedeutet dieses Dasein nicht Isolation vom anmutigen Spiel der Naturkräfte. Im Gegenteil, die Wirtschaft selbst ist längst so weit zu wissen was draußen als nächstes passiert, vielleicht sogar bevor die Natur es selbst weiß. Der "umweltbewusste" Unternehmer von heute hat sich auf die wechselnden Gegebenheiten eingestellt und gut daran verdient.

Von dieser prophetischen Macht profitiert die ganze Menschheit. Ich weiß dass es regnen wird, wenn vor meiner Haustür Regenschirme verkauft werden. Je nach Preis kann ich ablesen wie stark der Regen sein wird. Wenn die großen 20 Liter Wassertanks und survival-sized Dosen Mais im Eingangsbereich meines Supermarktes stehen, ist es Zeit die Wäsche reinzuholen. Ähnlich verhält es sich mit den Jahreszeiten. Wenn die unterbezahlten Regalpacker die ersten Lebkuchen stapeln, weiß ich: der Sommer ist bald vorbei.

Nicht anders ist es im Fall des Osterfestes:
Damit ist es amtlich. Das Ende des Winters naht. Es muss so sein, denn während Meterologen und Vögel regelmäßig daneben liegen und nach zu zeitiger Rückkehr aus südlichen Gefilden überraschend erfrieren, müssen es die Hersteller von Plüschhasen, Bermudashorts und Einweggrillgestellen besser wissen. Seit hunderten Jahren im Geschäft, wissen sie wie die Welt tickt. Oder die Natur richtet sich mittlerweile nach ihnen und verdient heimlich mit.

Mittwoch, 18. März 2009

Winter Wonder Land


Ich habe es gestern tatsächlich mal zu einem NHL Game geschafft. Im opulenten Prudential Center. Gespielt haben die New Jersey Devils gegen die Chicago Blackhawks. Wir (New Jersey) haben natürlich gewonnen. Gewalt gab es zum Glück auch.


Leider musste aus Kostengründen die Nationalhymne von den Zuschauern selbst gesungen werden.


Kaum ging das Spiel los...


lagen die Devils auch schon in Führung...


was die 99% Devils Fans im Stadion durchaus zu schätzen wussten. Ich war ja insgeheim für die Blackhawks. Aus Mitleid.


Geknuddelt wurde natürlich auch...


nach dem 3:2 Sieg allerdings nur noch bei den Devils.


Die Fans waren aus dem Häuschen. Aber der Star des Abends...


war natürlich das Tornetz der Devils, das tapfer bis zur letzten Minute mit überragendem Einsatz für seine Menschaft gekämpft hatte.


Hmmm...

Die ganze Show.

Montag, 16. März 2009

Take the Money and Run



Ah, spring break! Die ideale Gelegenheit endlich meine Steuererklärung Steuererklärung Steuererklärung zu machen . Ganz recht, nur weil man kein Resident ist und keinerlei Einkommen in den USA hat, bedeutet das noch lange nicht, dass man den freundlichen Bürokraten des Federal Government entkommen kann.

Allerdings weiß ich nicht genau für wen ich in den Formularen die ganzen Nullen (baut übrigens ungemein auf) überhaupt eintrage. Wer bekommt denn nun meine nicht existenten Steuergelder? Der Bundesstaat? Der Staat New York? Die Stadt? Die lokale Verwaltung? Die UNO? Nein, die bestimmt nicht. Eines steht fest, das Amerikanische Steuerrecht ist--im Gegensatz zu dem was oft in Deutschland behauptet wird--nicht wirklich simpler.

Ich bin gespannt ob ich etwas zurück bekomme.

Samstag, 14. März 2009

Archäologie des Nichtstuns

Ich habe beim Googeln nach Praktikumsstellen zufällig einen (schon etwas älteren) Beitrag in einem Deutschen Soziologie-Forum gefunden.

Bianca, eine junge Studentin, stellt die berechtigte Frage: Sind Soziologen faule Säcke? Sie schreibt verwundert über die Beobachtungen die sie an ihrer Hochschule gemacht hat:

Also bei uns an der Uni fangen alle Soziologie-Veranstaltungen frühestens 10 Uhr an, meistens aber erst 12 oder 14 Uhr. Außerdem ist Freitags grundsätzlich nichts.
Was?! Das ist ja unerhört! Es gibt schon Veranstaltungen die vor 14 Uhr anfangen? Das werde ich umgehend der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) melden. Wozu hat die Deutsche Gewerkschaft der Soziologen 1968 mühsam die Bevölkerung überzeugen müssen mit den faschistischen Vorlesungszeiten der Vergangenheit zu brechen und endlich den Traum von der ganzheitlichen Menschwerdung zu Träumen (im Bett, versteht sich)? Übrigens, meine Liebe, du solltest besser recherchieren. Nicht nur Freitags, sondern auch Montags ist an den meisten Instituten "grundsätzlich nichts".
Und dann muß man pro Semester nur ca. 3 Scheine machen - was oft nur eine Klausur oder ein Referat (ganz selten auch Hausarbeit) bedeutet.
So weit kommt's noch! Ich kenne Leute die haben seit 2 Semestern keine Scheine gemacht (zumindest im Magister). Das nennt sich "kreative Selbstentfaltung". Wenn am so genannten "Ende des Studiums"--statistisch betrachtet im 14. Semester--noch Scheine fehlen werden einfach Hausarbeiten zu irgendwelchen Veranstaltungen die man vor 3 Jahren nicht besucht hat "nachgereicht". Anwesenheit zu prüfen würde bei einer Betreuungsrelation von 1:800 allein schon das durchschnittliche Deutsche Soziologie-Institut zu 150% überlasten. Von der "Korrektur" der Arbeiten (alle im "Seminar" bekommen eine 1.0) ganz zu schweigen.
In den Semesterferien sind am Anfang noch zwei Prüfungen und dann hat man frei.
Was denn für Prüfungen? Da muss ich Rücksprache halten.
So geht man dann ganz locker durchs Studium. [meine Hervorhebung]
Hmm... von der Seite habe ich das noch gar nicht gesehen. Ich dachte den Weg des geringsten Widerstandes zu finden sei die Herausforderung am Studium.
Wenn ich mir da die Mediziner oder Juristen angucke, die ackern Mo-Fr 8-18 Uhr, in den Semesterferien müssen die wie die bekloppten lernen.
Deswegen würde ich bei mir niemals einen Soziologen eine Operation am offenen Herzen durchführen lassen oder bei meinem nächsten Flug nach Deutschland im Cockpit sitzen lassen.
Kann es sein, dass das Soziologie-Studium zu lasch ist?
Öhmm... Wenn du so fragst... nun... das klingt fast als wäre das was Schlechtes! Im Grunde hast du natürlich recht. Aber als guter Soziologe argumentiere ich des interdisziplinären Austauschs willen gerne gegen das Offensichtliche an.

Liebe Bianca,

1. Eine kleine Anmerkung zu deinem Beitrag: Im Soziologiestudium lernt man der deutschen Sprache Herr zu werden, was dem Diplomsoziologen nach langer und schmerzhafter Ausbildungszeit Überschriften wie "Soziologen faule Säche" erspart. Sicher, Rechtschreibung korrigiert Word fast automatisch. Prädikate sollte man für seine Sätze allerdings schon selbst finden.

2. Im Soziolgiestudium lernt man empirische Daten zu sammeln bevor man zur Schlussfolgerung schreitet. Mit anderen Worten, der Sozilologe sollte mit zumindest einer betroffenen Person gesprochen haben bevor er oder sie Theorien aufstellt. Es soll auch Befragungen mit größerer Fallzahl geben, aber dafür braucht man Statistik. In jedem Fall erspart dieses Vorgehen unzulängliche Vergleiche mit Studiengängen die nicht pro Woche 3-5 theoretische Klassiker im Volltext studieren müssen.

3. Anders als bei Medizinern qualifiziert ein Diplom in Soziologie bestenfalls zum Schreiben ausgefeilter ALG II-Anträge und muss daher durch den Erwerb diverser Zusatzqualifikationen ergänzt werden. Im Grunde zählen in den Sozialwissenschaften nicht das Papier auf dem das Diplom gedruckt ist oder welche Noten drauf stehen, sondern was der Absolvent an kulturellem und sozialem Kapital angesammelt hat. Davon ist in miefigen Vorlesungssälen "Mo-Fr" zwischen "8-18 Uhr" gemeinhin recht wenig zu finden.

Im übrigen kommen eh nur knapp 20% der Studierenden bis zum Abschluss. Die meisten anderen entscheiden sich dann doch für Jura oder BWL.