Montag, 14. September 2009

One Step More and You Die

Das Verhalten der New Yorker Fußgänger zeugt von Größenwahn und Verachtung der eigenen Gesundheit. Wie selbstverständlich riskieren sie jeden Morgen beim Überqueren achtspuriger City-Highways bei Rot ihr Leben und den Kasko-Bonus unzähliger Pendler. Niemand nimmt es ihnen übel. Im Gegenteil: Autofahrer die einem Rotläufer den Weg kreuzen haben vor Gericht nicht selten das Nachsehen. Die Metropole am Hudson ist die einzige Stadt der Welt, in der verarmte Migranten hinter dem (Taxi-)Steuer sitzen und Banker ihnen vor die Kühlerhaube laufen. Dieser anarchischen Macht der Fußgänger wurde nun endlich seitens der Stadtverwaltung mit leicht modifizierten Ampelsymbolen Rechnung getragen.

Deutsche Touristen tun sich allerdings noch schwer mit den neuen Lichtzeichen. In Deutschland würden laut aktueller Umfrage zwar 29 Prozent der Menschen einem blinden Obdachlosen seinen Geldbecher entreißen, solange es kein anderer sieht, jedoch stehen die selben Gestalten in einer brandenburgischen Kleinstadt nachts für 20 Minuten an einer kaputten Fußgängerampel. Am Ende entschließen sie sich meist die "schwierige Kreuzung" besser über die Altstadt zu umlaufen. Denn: mit der Autorität der Autofahrer und den Ampeln, ihren getreuen Vasallen, spaßt der Deutsche nicht. Begrüßenswert wäre ein ähnlicher Vorstoß wie in New York, nur mit Ampelsymbolen die der nationalen Verkehrskultur angemessen sind. Bisher diskutierte Vorschläge für "Rot" sind: eine Pickelhaube, die nahende Faust eines Polizeibeamten (hohe Auflösung erforderlich) oder eine schlichte Leuchtschrift mit bewährtem Text.

Dienstag, 25. August 2009

Der Appell zu appellieren

Der umsichtigste Kommentar im Wahlkampf diese Woche kommt nicht von Horst Schlämmer, sondern Frau Angela Merkel. Es geht um Fairness in der Arbeitswelt:

"Ich rate jeder Frau, die für die gleiche Arbeit weniger als ihr Kollege verdient, selbstbewusst zum Chef zu gehen und zu sagen: Da muss sich was ändern!"
(mehr im Tagesspiegel)

Schachmatt, Herr Steinmeier! Nach 30 Jahren bemüht-emanzipativer Familienpolitik, nach Frauenquote und Mutterschutz, nach Anti-Diskriminierungsgesetzen und einer endlosen Parade teuer im Sand versenkter Regulierungsmaßnahmen, fährt die Bundesregierung neuerdings ihr schwerstes Geschütz auf: den freundlichen Appell. Wieso sind wir nicht schon früher darauf gekommen?

Der freundliche Appell blickt in der Politik auf eine ruhmreiche Tradition zurück. Schon Ronald Reagan stellte sich Ende der 1980er vor die Berliner Mauer und bat mit freundlicher, aber bestimmter Stimme das sowjetischen Evil Empire die Mauer doch bitte (zeitnah) niederzureißen. So geschah es. Gerhard Schröder, besser bekannt als der Kanzler der Herzen, rüttelte 1998 mit den Worten "lasst mich hier rein" flehend am Tor des Kanzleramtes. Helmut Kohl erbarmte sich.

Doch in unserer überkomplexen, global vernetzen Welt genügen engagierte Appelle der Großen und Mächtigen nicht mehr. Jetzt liegt die Verantwortung bei uns. Die Appelle müssen aus der Zivilgesellschaft, der menschlichen Lebenswelt kommen. Unsere Kanzlerin tut Recht damit, von den Frauen unserer stolzen Nation das zu fordern, was sie selbst bereit ist tapfer zu leben: die Kultur des umsichtigen (aber selbstbewussten) Nachfragens. Gleiches Recht und gleiche Pflicht für alle. Schließlich kann der Staat unmöglich in die Chefetagen deutscher Unternehmen marschieren und selbst lächelnd den Zeigefinger schwingen.

Deutschlands Frauen wissen nun, die Kanzlerin ist eine von ihnen. Aber was ist mit dem Rest der Bundesrepublik? Die neue Politik macht Schule: Hochqualifiziert und trotzdem arbeitslos? Einfach in die nächste Aufsichtsratsitzung der Deutschen Bank marschieren und mit der Faust (sanft) auf den Tischen hauen. Von Neonazis die Zähne aus dem Gesicht geprügelt bekommen? Da muss man als Bundesbürger mit Migrationshintergrund selbstbewusst hingehen und sagen "also Jungs, das geht doch nicht". Das ist Politik "von Unten" für das 21. Jahrhundert. Die Bundesregierung macht sich selbst überflüssig. Frau Merkel, wären sie bitte so freundlich das Licht auszumachen?

Mittwoch, 19. August 2009

A Soldier of Love


New York - Er war einer der größten Kinderstars in der Geschichte des Fernsehens - jetzt ist Barney der Dinosaurier im Alter von 833 Jahren am Montagmorgen (Ortszeit) in New York völlig überraschend tot aufgefunden worden. Ein Gerichtsmediziner bestätigte gegenüber dem US-Fernsehsender CNN den Tod des Plüschdinosauriers. Dies ist ein Nachruf.

Barney der Dinosaurier starb arm und verlassen. Seine Fans—mittlerweile meist selbst Mütter und Väter—werden ihn als glamourösen Exzentriker, als tragische Ikone ihrer Generation im Gedächtnis behalten. War sein Kampf für eine moderne mediale Erziehung umsonst? Mit seiner bahnbrechenden Nachmittagsshow Barney & Friends revolutionierte der lila Plüschgigant Anfang der 90er Jahre das Unterhaltungsfernsehen für Kinder. Seine pädagogische Methode, Vorschülern triviales Wissen durch Musik, Spiel und Tanz zu vermitteln, erschütterte die Fundamente traditioneller Schulsysteme weltweit.

Trotz des spektakulären Erfolgs der Serie, geriet ihr antiautoritärer Protagonist schnell in die Schusslinie kritischer Pädagogen und konservativer Politiker. Die Abwesenheit klassischer Lehrmethoden, wie der öffentlichen Drangsalierung als Bestrafung für Unwissen oder der unsystematischen Rohrstockschelte, sorgten bereits nach wenigen Folgen für überschäumende Debatten über den Niedergang der abendländischen Kultur. Wiederholten Todesdrohungen und Puppenverbrennungen zum Trotz, setze der bekennende Homosexuelle in der zweiten Staffel mit der Einführung neuer, noch weniger bedrohlich wirkender Plüschcharaktere seinen idealistischen Kreuzzug fort.

Seine Kuschelstrategie ging auf. In der heilen Bildschirmwelt des Tyrannosaurus Rex, tanzten er und andere blutrünstige Landwirbeltiere Hand-in-Hand mit Fünfjährigen, anstatt sich an ihren zuckend-enthaupteten Kinderkörpern vor laufender Kamera zu laben, wie es bis dato im Fernsehen üblich war. Der Schock bei Eltern und Lehrern saß tief. Viele fürchteten den Tod des voyeuristischen Gewaltfernsehens und die ungewollte Rückkehr der elterlichen Erziehungsverantwortung. Auf seiner missionarischen Barney‘s Imagination Island-Tour stand der vom Time Magazine 1996 als "flauschiger Messias" bezeichnete Saurier auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Niemand hätte ihn zu diesem Zeitpunkt stoppen können. Niemand, außer ihm selbst.

Im Mai 1997 verkündigte Barney auf einer Pressekonferenz Barney & Friends—trotz Rekordeinschaltquoten—zugunsten anderer, "künstlerisch anspruchsvollerer" Projekte einzustellen. Inspiriert von seinen ehemaligen Programmkollegen Bert and Ernie, suchte das Kinderidol Anschluss in der zunehmend populären "Gangsta-Rap"-Szene.



Doch auch teure Features mit Snoop Doggy Dogg und dem Wu-Tang Clan konnten dem nun unter dem Pseudonym "Notorious B." bekannten Barney kein neues Zielpublikum eröffnen.



Schnell fehlte es Barney an den Mitteln, um seinen aufwändigen Lebensstil zu finanzieren. Zwischen seinen Auftritten, zog sich der sanfte Riese meist in seine monumentale Behausung zurück, eine künstlich geschaffene Biospähre im Herzen Floridas. Für das 17 Hektar umfassende prähistorische Reservat allein mussten über 200 Angestellte (15 von ihnen hochdekorierte Genforscher) in Lohn und Brot gehalten werden. Um schnell zu Geld zu kommen, ließ sich der zunehmend wunderlich erscheinende Koloss 2008 von den ehemaligen Produzenten seiner Show überreden, eine weitere Staffel zu drehen. Doch schnell wurde den anfangs begeisterten Zuschauern klar, wie schlecht es um ihren Helden in Wirklichkeit stand.

Von der Boulevardpresse nach Affären mit anderen prominenten Cartooncharakteren und hartnäckigen Kinderfressgerüchten geprügelt, tritt Barney—hier zu sehen in einer seiner letzten Folgen—nur noch mit Sonnenbrille und Kopfbedeckung vor die Kamera, um die offensichtlich gewordenen Zeichen des Verfalls zu verbergen. Ausgebrannt und abgemagert, wirken seine Bewegungen nervös, fast unbeholfen. Das einstig schillernde Idol einer ganzen Generation übersteht die Dreharbeiten nur mit Mühe. Mehrfach müssen Ärzte ihm hohe Dosen Schmerzmittel verabreichen. Auch seine heimliche Sucht nach Kinderfleisch war zu dem Zeitpunkt bereits kein Geheimnis mehr. Am Set folgten zwei Parkranger jedem von Barneys Schritten mit geladenen Betäubungsgewehren, um Übergriffe auf seine jungen Spielkammeraden zu verhindern.

Gestern wurde Barney im New Yorker West Village vor einer Grundschule tot aufgefunden. In New York State sind derzeit Sommerferien. Seine Familie wurde umgehend informiert, verweigert bislang jedoch jeden Kommentar. Über die genauen Umstände seines Ablebens kann zu diesem Zeitpunkt nur spekuliert werden. Ärzte halten Herzversagen für die wahrscheinlichste Todesursache. Zeit seines Lebens versuchte das warme Herz des großen Kaltblüters der Welt nur eines zu geben: Liebe. Doch selbst das laut Autopsiebericht 9 Kilogramm schwere Pumporgan in Barneys monströsem Leib, konnte gegen den noch älteren Hass und die noch gewaltigeren Vorurteile unserer Welt nicht ankommen. Aber wir, deine Fans, werden dich immer lieben Barney!

Samstag, 15. August 2009

Authentischer Natururlaub in Brandenburg


Einige würden sagen, die Tourismusbranche in Brandenburg sei verzweifelt. Aber die haben keine Ahnung was den urban-isolierten Großstadtpopulationen Deutschlands einen Besuch wert ist. Nach "Zelten im Wald" und "Urlaub auf dem Bauernhof", gibt es nun eine Reihe neuer authentischer und ökologisch nachhaltiger Erlebnisangebote. So bekommen die eigenen Kinder zwischen Metal Gear Solid 4 und Flatrate-Puffs zu sehen, welche Schätze Mutter Natur noch auf Lager hat. Davon gibt es in Brandenburg vielleicht weniger als anderswo, aber zumindest die Ausschilderung bleibt unübertroffen.

Donnerstag, 13. August 2009

Wenn Männer weinen


Es ist der älteste Trick der Welt: Männer reagieren kurzschlussartig auf sexuelle Reize--seit knapp 150 Jahren auch in Schriftform. Ähnlich wie bei hungrigen Bären auf Würstchensuche, spielt der Kontext keine Rolle. Das wird von organisierten Autoantennenräubern schamlos ausgenutzt. Kaum befindet sich das Fahrzeug mit dem gierig umherblickenden Fahrer auf dem Hinterhof des verfallenen Mordhauses am Stadtrand, machen die Handlanger der slowenischen Antennenmafia kurzen Prozess mit dem silber-glänzenden Wedel. Vor den Augen und bei vollem Bewusstsein ihres Besitzers, wird die lange Aluminiumstange mit wahlweise einer Kneifzange oder Säge in Sekundenschnelle abgetrennt. Die verzweifelten Schmerzensschreie des Fahrers bleiben ungehört.

Schätzungsweise 30.000 Männer fallen jährlich dem organisierten Antennenraub zum Opfer. Die meisten sind für den Rest ihres Lebens traumatisiert. Das tägliche Leben wird zur Qual. Viele Fahrer berichten nächtelang in ihrem Auto wach gesessen und in Tränen am Rädchen ihres Radioempfängers gedreht zu haben. Andere haben aus Scham ihr Fahrzeug verkauft und in Südostasien versucht ein neues Leben anzufangen. Doch den Schatten ihrer Vergangenheit konnten die wenigsten entkommen. Erst in den letzten Jahren wurde das unsägliche Leid der Geschädigten als Post-Antennales Stress Syndrom (P.A.S.S.) der Öffentlichkeit bekannt. Doch trotz moderner Therapieformen bleiben die Narben der Demütigung tief in den Seelen der Opfer zurück.

Das Bundeskriminalamt hat wiederholt versucht in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden in Slowenien den Drahtziehern der internationalen Antennenmafia auf die Spur kommen. Wo die über einhundertausend als gestohlen gemeldeten Antennen abgesetzt wurden, bleibt der Polizei aber bis heute ein Rätsel. Die Ermittler vermuten die Antennen seien eingeschmolzen und an die chinesische Stahlmafia weiterverkauft worden. Andere behaupten die Stangen seien im Besitz wohlhabender Südländer gelandet. Die Wahrheit werden wir womöglich nie erfahren.

Sonntag, 2. August 2009

2 p.m. wake up call


Eigentlich wollte ich mir eine kleine Sommerpause gönnen, aber die Welt dreht sich einfach zu schnell weiter. Da kommt selbst BILD mit den brisanten Eilmeldungen nicht hinterher. Wie soll ich dann erst all die sensationellen Trivialfunde nachliefern, die sich mir in den vergangenen Monaten des täglichen Kulturkampfes aufgetan haben? Die Antwort lautet: gar nicht. Oder irgendwann, vielleicht, aber nicht zu ihrer Zeit.

Linearität ist was für Till Schweiger Fans. Seit neustem wissen wir, man kann mit dem Fallschirm noch ein Jahr nachdem das Flugzeug abgestürzt und abgebrannt ist aus dem Cockpit abspringen. Zumindest geht das in der Finanzwelt. Ergo: von AIG lernen, heißt siegen lernen. Daher werde ich demnächst mal in New York, mal in Berlin, mal in Dresden, mal in St. Petersburg und mal vor einem Untersuchungsausschuss zu finden sein. Manches davon wird schon vorbei oder noch nicht passiert sein. Oder niemals passieren. So it goes.

Samstag, 11. Juli 2009

Die Domestizierung des Mannes


Welche Frau wünscht sich das nicht -- den Tiger für's eigene Schlafzimmer (schwarze Lederschuhe und dicker Mann nicht im Paket enthalten). Sehr gut geeignet für alle Ehemänner die nicht nur im übertragenden Sinn als Bettvorleger enden wollen.

Aber was es mit dem Elefanten auf sich hat, muss mir nochmal jemand erklären...

Donnerstag, 9. Juli 2009

Egalitarianism Polka


Manchmal frage ich mich ob diese Sicherheitsabfragen wirklich zufällig generiert werden oder ob nicht doch ein Praktikant in einem feuchten, miefigen Verließ im Silicon Valley sitzt und die Codeabfragen manuell eingibt. Das würde die versteckten Botschaften erklären. Ein Hilfeschrei... oder einfach der Versuch der Welt trotzig zu zeigen wie kreativ man selbst im miesesten Job sein kann?

Dienstag, 7. Juli 2009

Wacky Fun for the Whole Family


Betriebsfeier bei der Bank of America. Zumindest für die niederen Angestellten sind die wöchentlichen Hubschrauberflüge ins Casino nach Atlantic City gestorben. Stattdessen gibt es die Geisterfahrt durch Lower Manhattan. Der wilde Ritt durch das Financial „Diabolic“ District führt vorbei an Attraktionen wie dem Haunted House (NY Stock Exchange), Freddy Maze and Fannie Mischief sowie den Schrecken von A.I.-Gore. Kurz vor Ende wird der Wagen von einem schäumenden Grizzly mit blutroten Augen und verrottetem Fell gerammt. Super Show, auch für die Kinder. Wenn die Kleinen später fragen sollten, wo ihre teuren Spielsachen hin sind, können die Eltern immer antworten der Zombiebär habe sie gefressen.

Sonntag, 5. Juli 2009

Down With the Sickness

Das Virus ist der beste Freund des Kindes. Erinnert sich noch jemand daran wie es war als Kind krank zu werden? Wenn man mit 10 Jahren fiebrig hustend aufwacht, ist das wie Weihnachten und Nintendo Wii-Verkaufseröffnung an einem Tag. Als erkälteter Halbwüchsiger durfte ich Tage, wenn nicht Wochen zuhause im Bett bleiben. Ich musste nicht zur Schule und konnte stattdessen das sagenumwobene Vormittagsprogramm von RTL und ProSieben genießen (aus heutiger Sicht eher ein Grund freiwillig Hausaufgaben nachzuarbeiten). Wenn mir meine Kinderärztin nach 2 Wochen vermitteln wollte, ich sei kerngesund und müsse ab morgen wieder zur Schule gehen, brach für mich eine Welt zusammen. Mein gespielter Schleimhusten blieb meist vergebens.

Für den Mann von heute gibt es nichts Ungelegeneres als eine Grippe. Egal was er mit seinem Leben vorhat, es scheint unmöglich zu warten bis sich der Körper von der potentiell lebensgefährlichen Infektion erholt hat. Besser das schrittweise Versagen der eigenen Organe einfach ignorieren bis „die Sache ausgeschwitzt ist“, als sich oder anderen Schwäche einzugestehen. Ärzte—ohnehin eine chronisch hysterische Berufsgruppe—müssen um jeden Preis gemieden werden. Der souverän-männliche Umgang mit jeder Art von Erkrankung unterscheidet sich kaum von einer gut gespielten Runde Poker: keine Miene verziehen und mitgehen.

Die ganze Nacht erbrochen und kaum in der Lage die Beine zu heben? Hoffentlich merken die Arbeitskollegen nichts. Schwere Entzündung der Bronchien? Kein Grund die eigene Mannschaft im Achtelfinale der Dorfliga im Stich zu lassen. Diese Logik weitet sich auch zunehmend auf die ehemals besonnenere Hälfte der Bevölkerung aus. Einst die pflegende Hand in meinem Leben, kann selbst meine Mutter nicht mehr warten bis ihre Gelenkentzündung abgeheilt ist, bevor sie den 12-Liter-Kasten stilles Wasser in den vierten Stock hochzerrt. Bekanntlich liegt der Calciumanteil im Leitungswasser 20% über der vom Mineralwasserverband empfohlenen Dosis.

Selbst Menschen die im Grunde nichts mit ihrem Tag anzufangen wissen, lassen sich von einer lächerlichen Grippe nicht einschüchtern. Der arbeitslose Pilsliebhaber vor dem LIDL-Markt nimmt seine alkoholistische Verpflichtung nicht weniger ernst als der Notaufnahmeleiter von dem er am Abend zuvor noch reanimiert wurde. Besonders hart trifft es den Kranken am Wochenende, wenn er sich vorgenommen hat „endlich mal wieder Spaß mit den Kumpels zu haben“. Sind jemandem am Samstagabend schon mal die leichenblassen Gesichter mancher Gäste in einem Striplokal aufgefallen? Nun, das sind Männer die sich die ganze Zeit denken „ich habe kein Gefühl mehr in meinen Gliedmaßen, aber meinen freien Tag lasse ich mir davon nicht vermiesen!“