Samstag, 14. März 2009

Archäologie des Nichtstuns

Ich habe beim Googeln nach Praktikumsstellen zufällig einen (schon etwas älteren) Beitrag in einem Deutschen Soziologie-Forum gefunden.

Bianca, eine junge Studentin, stellt die berechtigte Frage: Sind Soziologen faule Säcke? Sie schreibt verwundert über die Beobachtungen die sie an ihrer Hochschule gemacht hat:

Also bei uns an der Uni fangen alle Soziologie-Veranstaltungen frühestens 10 Uhr an, meistens aber erst 12 oder 14 Uhr. Außerdem ist Freitags grundsätzlich nichts.
Was?! Das ist ja unerhört! Es gibt schon Veranstaltungen die vor 14 Uhr anfangen? Das werde ich umgehend der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) melden. Wozu hat die Deutsche Gewerkschaft der Soziologen 1968 mühsam die Bevölkerung überzeugen müssen mit den faschistischen Vorlesungszeiten der Vergangenheit zu brechen und endlich den Traum von der ganzheitlichen Menschwerdung zu Träumen (im Bett, versteht sich)? Übrigens, meine Liebe, du solltest besser recherchieren. Nicht nur Freitags, sondern auch Montags ist an den meisten Instituten "grundsätzlich nichts".
Und dann muß man pro Semester nur ca. 3 Scheine machen - was oft nur eine Klausur oder ein Referat (ganz selten auch Hausarbeit) bedeutet.
So weit kommt's noch! Ich kenne Leute die haben seit 2 Semestern keine Scheine gemacht (zumindest im Magister). Das nennt sich "kreative Selbstentfaltung". Wenn am so genannten "Ende des Studiums"--statistisch betrachtet im 14. Semester--noch Scheine fehlen werden einfach Hausarbeiten zu irgendwelchen Veranstaltungen die man vor 3 Jahren nicht besucht hat "nachgereicht". Anwesenheit zu prüfen würde bei einer Betreuungsrelation von 1:800 allein schon das durchschnittliche Deutsche Soziologie-Institut zu 150% überlasten. Von der "Korrektur" der Arbeiten (alle im "Seminar" bekommen eine 1.0) ganz zu schweigen.
In den Semesterferien sind am Anfang noch zwei Prüfungen und dann hat man frei.
Was denn für Prüfungen? Da muss ich Rücksprache halten.
So geht man dann ganz locker durchs Studium. [meine Hervorhebung]
Hmm... von der Seite habe ich das noch gar nicht gesehen. Ich dachte den Weg des geringsten Widerstandes zu finden sei die Herausforderung am Studium.
Wenn ich mir da die Mediziner oder Juristen angucke, die ackern Mo-Fr 8-18 Uhr, in den Semesterferien müssen die wie die bekloppten lernen.
Deswegen würde ich bei mir niemals einen Soziologen eine Operation am offenen Herzen durchführen lassen oder bei meinem nächsten Flug nach Deutschland im Cockpit sitzen lassen.
Kann es sein, dass das Soziologie-Studium zu lasch ist?
Öhmm... Wenn du so fragst... nun... das klingt fast als wäre das was Schlechtes! Im Grunde hast du natürlich recht. Aber als guter Soziologe argumentiere ich des interdisziplinären Austauschs willen gerne gegen das Offensichtliche an.

Liebe Bianca,

1. Eine kleine Anmerkung zu deinem Beitrag: Im Soziologiestudium lernt man der deutschen Sprache Herr zu werden, was dem Diplomsoziologen nach langer und schmerzhafter Ausbildungszeit Überschriften wie "Soziologen faule Säche" erspart. Sicher, Rechtschreibung korrigiert Word fast automatisch. Prädikate sollte man für seine Sätze allerdings schon selbst finden.

2. Im Soziolgiestudium lernt man empirische Daten zu sammeln bevor man zur Schlussfolgerung schreitet. Mit anderen Worten, der Sozilologe sollte mit zumindest einer betroffenen Person gesprochen haben bevor er oder sie Theorien aufstellt. Es soll auch Befragungen mit größerer Fallzahl geben, aber dafür braucht man Statistik. In jedem Fall erspart dieses Vorgehen unzulängliche Vergleiche mit Studiengängen die nicht pro Woche 3-5 theoretische Klassiker im Volltext studieren müssen.

3. Anders als bei Medizinern qualifiziert ein Diplom in Soziologie bestenfalls zum Schreiben ausgefeilter ALG II-Anträge und muss daher durch den Erwerb diverser Zusatzqualifikationen ergänzt werden. Im Grunde zählen in den Sozialwissenschaften nicht das Papier auf dem das Diplom gedruckt ist oder welche Noten drauf stehen, sondern was der Absolvent an kulturellem und sozialem Kapital angesammelt hat. Davon ist in miefigen Vorlesungssälen "Mo-Fr" zwischen "8-18 Uhr" gemeinhin recht wenig zu finden.

Im übrigen kommen eh nur knapp 20% der Studierenden bis zum Abschluss. Die meisten anderen entscheiden sich dann doch für Jura oder BWL.

1 haben auch was zu sagen:

Anonym hat gesagt…

rofl ^^

erinnert mich an nen Zeitungsausschnitt der außen an Steffis WG-Wohnungstür hängt und jedem Besucher verrät, wer da wohnt:

„Eigentlich will sie niemand haben. Sie sind zu nichts zu gebrauchen, haben kein Einkommen, wohnen in versifften Wohngemeinschaften, liegen morgens bis 11 Uhr im Bett, und ihre Wochenenden beginnen donnerstags und enden dienstags. Wenn im April ihr mehrwöchiger Frühjahrsurlaub endet, werden sie wieder ihre Anstalten bevölkern - Horden junger Menschen in schlabbrigen Cord- und Jeansklamotten, die sich auf Kosten der steuerzahlenden Menschheit selbst verwirklichen...“

das fand ich bei unsrer Uni eigentlich immer ganz gut - uns wurde gleich am Anfang eingebläut, dass die Veranstaltungen nur ein kleiner Wegweiser sind und man seine 'freie Zeit' für das Selbststudium nutzen möge - ansonsten könne man auch gleich zuhause bleiben.
Scheint man der Bianca leider nicht gesagt zu haben. Aber da kommt sie schon noch dahinter wenn sie am Ball bleibt...

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