Donnerstag, 9. April 2009

Maspeth, the Meaning of Pain?

Was passiert wenn man sich den Zorn von UPS einhandelt? Wie schon andere kafkaeske Mächte zuvor versteht es die weltweit größte Transportfirma ihre Kunden an unwirtlichen Orten zu unmenschlichen Zeiten absurde Dinge tun zu lassen, wenn man es wagt gegen der Funktionsweise der großen Maschine Widerstand zu leisten. Die Maschine ist in diesem Fall der New Yorker Auslieferungsdienst für Privatkunden und Widerstand bedeutet drei Mal den Lieferboten nicht empfangen zu haben. Er hätte wenigstens klingeln können.

Einmal in die Kategorie der Endabnehmer-Delinquenz hineingeraten, gibt es nur einen Weg die Gunst des freundlichen Konzerns mit dem verdächtig braunen Logo zurückzugewinnen: die Pilgerfahrt ans andere Ende der Welt--für den New Yorker: Long Island/Queens. Die zentrale Abfertigungsstelle des Bezirks New York liegt in Maspeth, NY, einem Ort über dessen Erreichbarkeit man sich erst in obskuren Internetforen informieren muss. Ich erwähnte den Ort gegenüber Einheimischen, erntete jedoch entweder dumpfe, fragende Blicke oder bitter schallendes Gelächter. Schwer zu sagen was davon beunruhigender war.

Ein kauziger Busfahrer nimmt mich von der Endhaltestelle des M-Trains mit zu meinem Ziel. Auf dem Weg sehe ich Amerika, geräumige Einfamilienhäuser neben traditionalen Queens-styled Mehrfamilienhäusern. Dazwischen Autos und Vorgärten. Sonst nichts. Schnell wird aus den Subprime Mortgage Domizilen eine endlose Industriehallenlandschaft. Ich steige neben einem Diner aus das mich gleich an drei Serienkillerfilme und eine ARD-Doku über den "American Decline" erinnert. Um mich herum erstrecken sich nichts als Beton und gähnende Leere.

Ich erinnerte mich an meine Mission und den Hinweis in einem der Foren doch möglichst eine Karte oder ein GPS-Gerät mitzunehmen. Letztlich führt mich die Spur eines UPS-Wagens zu einem gigantischen grau-braunen Kasten, einer umzäunten Lagerhalle vor der normalerweise Wachhunde und Selbstschussanlagen lauern. Das zerkratze Schild mit der Aufschrift "Customer Center" wirkt eher wie eine Falle. In der surreal dimensionierten Eingangshalle warten 5 untätige Mitarbeiter hinter einem langen Metalltresen. Im Hintergrund plätschert eine Jessica Simpson Ballade. Ein Schild weist darauf hin, dass hier Päckchen aufgegeben werden können. Den ausdruckslosen Gesichtern zufolge, wird jeder Kunde der tatsächlich etwas aufgeben will, einen kollektiven Herzinfarkt auslösen. Ich gehe einer Tür weiter und betrete die Lagerhalle, an dessen Eingang ein weiterer Tresen und ein kleiner Wartebereich eingerichtet sind.

"What can I do for you, sir?" In den Augen des Schaltermenschen flackert Angst auf. Werde ich ihn anbrüllen, ihm die Faust ins Gesicht rammen, für das Leider das mir bisher angetan wurde? Mitleid überwältigt mich und ich lege artig meinen Benachrichtigungsbeleg vor. Der Mann mit dem Dreitagebart und den kleinen Knopfaugen scheint verwirrt. Meine Daten werden umgehend abgerufen. "Bitte warten sie dort drüben." Seine Hand deutet auf eine Gruppe von Stühlen. Darauf sitzend, Menschen, jung und alt, gerade dabei unter ihren Jacken die Messer zu polieren--manche nicht nur sprichwörtlich. Eine ältere schwarze Frau erzählt mir über die Dreistigkeit von UPS sie hier raus zu bestellen und dann auch noch 15 Minuten warten zu lassen. Die anderen drei starrten gelangweilt und verbittert ins Leere. Nur ein Mann mittleren Alters mit Schnauzbart und Adidas-Hose grinst in sich hinein. Angst steigt in mir auf. Ich reiße dem UPS Mitarbeit das Päckchen aus der Hand und stürme ins Freie.

Auf der fußgängerwegfreien Straße zur Bushaltestelle frage ich mich wie häufig es hier wohl zu Amokläufen kommt. Meine gesamt Wut wurde aufgelöst in Sympathie für jene Menschen die dort täglich arbeiten. Ob die Obrigkeit Schwererziehbare hierher vermittelt um ihren Willen zu brechen? Vielleicht ist aber auch alles nur eine neue, abgefahrene Game-Show. Eines dieser Formate bei denen Menschen sich allerlei körperlichen und seelischen Belastungen aussetzen müssen, um am Ende mit einem großen Dollar-bedruckten Geldsack nach Hause gehen zu können. Hoffentlich.

1 haben auch was zu sagen:

Dimki hat gesagt…

geil, geil, geil :-)))

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